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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Gebärde, in der Verzweiflung und Bewunderung lag, wieder auf den Boden. Dann aber tat sie, was sie diesen ganzen an Aufregungen so reichen Tag über nicht getan hatte, weder auf dem Wege durch den Wald, noch als sie das Geld verlor, noch als die Karbatsche drohte – sie brach in Tränen aus.
    Der Fremde war aufgestanden.
    »Was gibt’s denn?« fragte er.
    »Sehen Sie es denn nicht?!« rief die Thénardier und deutete auf das Corpus delicti, das zu Cosettes Füßen lag.
    »Was denn?«
    »Dieses Bettelkind hat sich unterstanden, die Puppe meiner Kinder anzufassen.«
    »Darum all der Lärm? Was ist denn dabei, wenn sie mit dieser Puppe spielt?«
    »Mit ihren dreckigen Fingern hat sie sie angegriffen, mit ihren scheußlichen Händen«, schimpfte die Thénardier.
    Cosette schluchzte nur noch lauter.
    »Ruhig, du!« schrie die Thénardier.
    Der Fremde trat zur Tür, öffnete sie und ging hinaus. Diese Abwesenheit des Beschützers der Kleinen machte die Thénardier sich zunutze, um Cosette unter dem Tisch einen Tritt zu versetzen, der das arme Kind laut aufschreien ließ.
    Gleich darauf ging die Türe wieder auf, und der Fremde kehrte zurück; in den Händen hielt er die märchenhafte Puppe, von der wir schon gesprochen haben und die seit diesem Morgen das Entzücken aller Kinder des Dorfes war. Er stellte sie vor Cosette hin und sagte:
    »Da, sie ist für dich.«
    Cosette blickte auf; sie hatte den Fremden mit der Puppe wie eine aufgehende Sonne angestarrt, hörte sprachlos die unfaßlichen Worte »sie ist für dich« – und jetzt verkroch sie sich, zog sich ängstlich unter den Tisch zurück.
    Sie weinte nicht mehr; vielleicht wagte sie kaum mehr zu atmen.
    Die Thénardier, Eponine und Azelma waren starr. Sogar die Zecher waren aufmerksam geworden. Eine feierliche Stille herrschte in der Kaschemme.
    Wieder begann die Thénardier nachzudenken. Wer mochte nur dieser Alte sein? Ein Armer? Ein Millionär? Oder eine Mischung aus beiden, ein Gauner?
    Das Gesicht ihres Mannes nahm jenen Ausdruck an, der im Antlitz des Menschen die Vorherrschaft gewinnt, sobald sein tierischer Instinkt durchbricht. Der Kaschemmenwirt betrachtete bald die Puppe, bald den Fremden. Er schien zu wittern. Es dauerte nur eine Sekunde. Dann trat er zu seiner Frau und flüsterte:
    »Das Zeug kostet mindestens dreißig Franken. Keine Dummheiten! Der Mann muß in Watte gewickelt werden.«
    Plumpe Charaktere haben mit naiven gemeinsam, daß sie keine Übergänge kennen.
    »Na, Cosette«, sagte die Thénardier in dem süßlichsten Ton, dessen sie fähig war, »willst du denn das Püppchen nicht nehmen?«
    Endlich wagte Cosette sich aus ihrem Schlupfwinkel heraus.
    »Kleinchen«, ermunterte sie die Thénardier zärtlich, »der Herr schenkt dir eine Puppe. Nimm sie doch, sie gehört dir.«
    Cosette betrachtete das Wunderding fast mit Schrecken. Noch war ihr Gesicht mit Tränen benetzt, aber ihre Augen leuchteten jetzt auf wie der Himmel bei Sonnenaufgang. Was sie empfand, war nicht anders, als wenn man ihr unvermittelt gesagt hätte: Kleine, du bist die Königin von Frankreich.
    Und doch schien sie zu befürchten, der Blitz müsse sie treffen, wenn sie nach dieser Puppe griff.
    Endlich wagte sie sich näher und murmelte schüchtern:
    »Darf ich?«
    Der Fremde nickte Cosette zu und legte die Hand der Puppe in die ihre. Sofort zog sich das Kind zurück, als ob »die Dame« sie verbrennen müßte, und blickte verlegen zu Boden. Um aufrichtig zu sein, müssen wir sogar hinzufügen, daß sie dabei die Zunge aus dem Mund hängen ließ. Plötzlich griff sie nach der Puppe und sagte:
    »Ich will sie Katherine nennen.«
    Es sah bizarr genug aus, wie dieses Kind in elenden Lumpen nach der Puppe in rosa Musselin griff.
    »Darf ich sie auf einen Stuhl setzen?« fragte sie.
    »Doch, mein Kind«, antwortete die Thénardier.
    Jetzt war es an Eponine und Azelma, neidische Blicke zu werfen. Cosette setzte Katherine auf einen Stuhl, hockte dann vor ihr auf dem Boden nieder und betrachtete sie in ehrfürchtigem Staunen.
    »Spiel doch, Cosette«, sagte der Fremde.
    »Ich spiele ja.«
    Die Thénardier empfand es unerträglich, diese Szene weiter mit anzusehen. Darum bat sie den Fremden um die Erlaubnis, ihre Kinder und auch Cosette zu Bett zu schicken, »denn die Kleine hat sich heute sehr geplagt«, wie sie mütterlich hinzufügte.
    Der Fremde hatte sich wieder an den Tisch gesetzt und versank in nachdenkliches Träumen. Die Zecher waren von ihm abgerückt und sangen nicht

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