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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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gelangte zu einem dreieckigen Verschlag, der unter den Stufen der Treppe zwischen alten Körben, zerbrochenem Geschirr, Spinnweben und Staub freigelassen war; wenn man einen zerschlissenen Sack voll Stroh ein Bett nennen will, so lag hier ein Bett, und darin schlief Cosette.
    Er beugte sich über sie und betrachtete sie.
    Sie schlief tief. Ihre Lumpen hatte sie nicht abgelegt. Im Winter schlief sie immer bekleidet, um weniger zu frieren.
    Die Puppe, deren große glänzende Augen offenstanden und im Finstern leuchteten, hielt sie an sich gedrückt. Von Zeit zu Zeit stieß sie einen schweren Seufzer aus, als ob sie aufwachen wollte. Neben ihrem Bett stand nur einer ihrer Holzschuhe.
    Eine offene Tür neben Cosettes Verschlag gab den Eintritt in ein ziemlich geräumiges Zimmer frei. Im Hintergrund sah man durch die Glastüre zwei kleine, weißüberzogene Bettchen. Hier schliefen Azelma und Eponine.
    Der Fremde trat ein. Er bedachte, daß dieses Zimmer an den Schlafraum der Thénardier grenzen mochte und wollte sich eben zurückziehen, als sein Blick auf den Kamin fiel, einen dieser ungeheuerlichen Herbergskamine, in denen zumeist nur ein kleines Feuerchen brennt und die so kalt aussehen. In diesem war kein Feuer, nicht einmal eine Spur von Asche, aber etwas anderes zog die Aufmerksamkeit des Fremden auf sich: zwei kleine, niedliche Kinderschuhe von verschiedener Größe. Er erinnerte sich der uralten, reizenden Sitte, daß die Kinder am Weihnachtstage einenSchuh in den Kamin stellen, in den dann eine gute Fee ein Geschenk für sie legen soll. Eponine und Azelma hatten nicht versäumt, so zu tun, und hatten jede einen ihrer Schuhe in den Kamin gestellt.
    Der Fremde beugte sich vor.
    Die Fee, ihre Mutter, war schon dagewesen; in jedem der Schuhe funkelte ein neues Zehnsousstück.
    Eben wollte der Fremde sich wieder zurückziehen, als er abseits, in einem dunklen Winkel des Kamins, einen anderen Gegenstand bemerkte. Es war ein schmutziger, grober Holzschuh. Cosette hatte in jenem rührenden Zutrauen der Kinder, das oft getäuscht, nie gänzlich entmutigt wird, auch ihre Pantine in den Kamin gestellt.
    Wie süß und erhaben ist doch die Hoffnungsbereitschaft eines Kindes, das nur die Verzweiflung kennengelernt hat!
    Der Holzschuh war leer.
    Bevor der Fremde leise in sein Zimmer zurückkehrte, griff er in seine Westentasche, zog einen Louisdor hervor und steckte ihn in Cosettes Pantine.
Thénardier am Werk
    Am nächsten Morgen, wohl zwei Stunden vor Sonnenaufgang, saß Herr Thénardier bei einer Kerze im Gastzimmer, hielt eine Feder in der Hand und bereitete die Rechnung von dem Herrn im gelben Rock vor.
    Seine Frau stand hinter ihm, beugte sich vor und folgte seiner Schrift mit den Augen. Die beiden wechselten kein Wort. Der eine schwieg aus tiefer Nachdenklichkeit, die andere wohl aus jener frommen Andacht, mit der der Menschengeist dem Wunder gegenübersteht.
    Nach einer guten Viertelstunde vollbrachte Thénardier folgendes Meisterwerk:

    Rechnung für den Herrn von Nr. 1:
    Abendbrot 3 Franken,
    Zimmer 10 ”
    Beleuchtung 5 ”
    Beheizung 4 ”
    Bedienung 1 ”
    Summa: 23 Franken.

    Statt Bedienung war geschrieben Bedinnung.
    »Dreiundzwanzig Franken!« rief Frau Thénardier mit einer Begeisterung, der eine gewisse Bedenklichkeit beigemischt war.
    Wie alle großen Künstler, war Thénardier mit seinem Werk nicht zufrieden.
    »Noch immer zu wenig«, murrte er. Seine Miene glich der Castlereaghs, der auf dem Wiener Kongreß die Kriegsschulden Frankreichs festsetzt.
    »Herr Thénardier, du hast ganz recht. So muß man’s machen«, murmelte die Frau, die sich der Puppe erinnerte. »Nur fürchte ich, er wird’s nicht bezahlen.«
    Mit kaltem Lächeln erwiderte Thénardier:
    »Er wird bezahlen.«
    Dieses Lachen war ein Zeichen höchster Sicherheit. Was so gesagt wurde, mußte stimmen. Die Frau machte auch keine Einwendungen mehr. Sie rückte die Stühle zurecht, während ihr Mann in der Stube auf und ab ging.
    »Ich habe fünfzehnhundert Franken Schulden«, sagte er.
    »Vergiß aber nicht«, sagte die Frau, »daß ich heute Cosette fortjage. Dieses Scheusal! Wenn ich ihre Puppe sehe, werde ich rasend. Ich möchte lieber Ludwig XVIII. heiraten, als sie einen Tag länger unter meinem Dach dulden.«
    Thénardier steckte seine Pfeife an und sagte zwischen zwei Zügen:
    »Du bringst dem Mann die Rechnung.«
    Damit ging er.
    Kaum war er draußen, als der Fremde eintrat. Thénardier tauchte sofort wieder in der halboffenen Tür auf.

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