Lesebuch für Katzenfreunde
Stück, das mit Baumwollbrokat bezogen und für Katzenkrallen wie geschaffen ist, da sich der Stoff leicht in Streifen herunterreißen läßt. Aber jetzt ist sie träge geworden. Will nicht einmal mehr mit ihrer Katzenminzen-Maus spielen, es sei denn, diese ist so niedrig gehängt, daß sie im Liegen damit spielen kann. Ich werde Ihnen ein Bild von ihr schicken. Leider bin ich auch mit drauf, aber darüber müssen Sie eben hinwegsehen.
Katzen sind sehr interessante Tiere. Sie haben einen enormen Sinn für Humor und fühlen sich, ganz anders als Hunde, weder verwirrt noch gedemütigt, wenn man über sie lacht. Es gibt in der Natur nichts Schlimmeres, als wenn man mit ansehen muß, wie eine Katze sich müht, aus einer halbtoten Maus noch ein paar letzte hoffnungslose Versuche, ihr zu entkommen, herauszulocken. Mein enormer Respekt vor unserer Katze gründet sich zum großen Teil darauf, daß ihr dieser diabolische Sadismus vollkommen fehlt. Als sie noch Mäuse zu fangen pflegte – wir haben seit Jahren jetzt keine mehr gehabt –, brachte sie die kleinen Tiere immer lebend und unverletzt an und ließ sie sich von mir aus dem Maul nehmen. Ihre Haltung schien dabei zu besagen: »So, hier hast du die verdammte Maus. Ich hab sie zwar fangen müssen, aber in Wirklichkeit ist sie dein Problem. Schaff sie gefälligst sofort weg.« Von Zeit zu Zeit durchstöbert sie sämtliche Schränke und Wandschränke nach Mäusen und veranstaltet so eine regelrechte Inspektion. Sie findet zwar nie mehr eine, aber offenbar hat sie das Gefühl, daß das zu ihren Pflichten gehört.
19. Dezember 1948
An Dale Warren
…Natürlich können Sie das Skript Charlie Morton zeigen. Unsere Korrespondenz steigert sich immer mehr in einen allerliebsten Ton unterdrückter Wut hinein. Angefangen hat das alles mit einer unglücklichen Bemerkung, die er über unsere Katze machte. Er gehört offenbar, bei all seinen vielen sonstigen Gaben, zu den Leuten, die nicht imstande sind, eine Katze von der anderen zu unterscheiden. Unsere Katze ähnelt der gewöhnlichen, von Abfällen ernährten, bei Nacht nach draußen geschickten Vertreterin der Gattung Felis nicht mehr als Louis B. Mayer einem Kommis in einem Delikatessenladen der Bronx – (oder ist das kein sehr glücklicher Vergleich?). Dann will ich’s korrigieren und sagen: unsere Katze verhält sich zu einer gewöhnlichen Katze wie ein Alfa-Romeo-Sport-Zweisitzer zu einem Ford-Lieferwagen Modell A oder wie ein Rolls Silver Wraith zu einer Schubkarre… Ich habe einen Aufsatz für Charlie geschrieben, aber ich fürchte mich ein bißchen, ihm den zu schicken…
Weihnachten 1948
Taki Chandler an Mike Gibbud, Esq.
einen Siam-Kater nicht ganz reiner Blutlinie:
Antwort auf einen überraschend erhaltenen Weihnachtsglückwunsch.
Lieber Mike,
verbindlichen Dank für Ihre Karte und die darin ausgesprochenen guten Wünsche, welche ich erwidere. Nicht erwidern kann ich hingegen die doch reichlich übertriebene Vertraulichkeit Ihrer Anredeform, denn soweit ich mich erinnere, sind wir uns nie offiziell vorgestellt worden. Was nun die Verdächtigungen betrifft, die Sie gegen Ihre ›alte Dame‹ aussprechen (versuchen Sie doch, auch hier von diesen plump-vertraulichen Manierismen loszukommen), so sind dieselben vermutlich zur Gänze unfundiert und aus einem gewissen Minderwertigkeitskomplex zu erklären, welcher wiederum das Produkt Ihres gemischten Blutes ist. Aber machen Sie sich dieser Dinge wegen nur keine Gedanken. Unser ganzes Zeitalter ist von heraldischer Minderwertigkeit gekennzeichnet. Ein Schrägbalken im Wappen ist heute keine größere Schande, als es im Mittelalter war. Ihr Vater mag ja durchaus ein Gentleman gewesen sein, selbst wenn Ihre Mutter keine Dame war. Ihr Rattenschwanz ist übrigens durchaus jetzt überall modern. Ich ziehe einen buschigen, aufrecht getragenen Schwanz vor. Sie sind Siamese, und Ihre Vorfahren haben noch auf Bäumen gelebt. Die meinen lebten in Palästen. Man hat mir gelegentlich zu verstehen gegeben, ich sei ein bißchen versnobt. Wie wahr! Ich bin es leidenschaftlich gern.
Kommen Sie doch gelegentlich einmal vorbei, wenn Sie ein sauberes Gesicht haben; wir werden dann den gegenwärtigen Weltlauf diskutieren, die Albernheit der Menschen, das Überhandnehmen des Pferdefleisches, obwohl wir doch ein zartes Lendenbeefsteak viel mehr zu schätzen wissen, und die uns beiden gemeinsame Schwierigkeit, Türen zur rechten Zeit geöffnet und Mahlzeiten häufiger und in kürzeren
Weitere Kostenlose Bücher