Lesebuch für Katzenfreunde
nicht der liebe Mau.
Schlimm wurde es aber erst, als Putzi mich gewahrte und, alle guten Manieren vergessend, mich am Kragen packte und schrie: »Du Stromer, du Herumtreiber, du ignoranter Idiot! Wegen dir haben wir unser Flugzeug versäumt!«
So wütend und ohne jede Selbstbeherrschung hatte er mich noch nie geschüttelt. Auch die Menschin fand kein vermittelndes Wort. Nur Barzi verhielt sich normal. So kann’s nur jemandem ergehn, der nicht argumentieren und darauf hinweisen kann, daß sie Grund hatten, sich über sich selbst zu ärgern. Warum hatten sie denn das Fenster offen gelassen, durch das ich wie in allen anderen Nächten hinausgesprungen war!
Ihr Liebesentzug dauerte bis zum nächsten Morgen und schlug dann ins Gegenteil um. Am Flugschalter erfuhr meine so sehr auf Pünktlichkeit bedachte Familie, daß die Maschine, mit der sie eigentlich nach Amerika zurückfliegen wollte, in Neufundland notlanden mußte und daß es dabei wesentlich mehr Ärger gegeben hatte als nur einen verpaßten Termin.
Die fällige Entschuldigung nahm ich an, die Begründung beruhte auf einem weiteren menschlichen Irrtum. Denn der Instinkt, den der Boß mir jetzt so feierlich zuerkannte, war in Wahrheit ja gänzlich anderer Natur gewesen.
Horst Kleemann
Angeblich erziehbar
Wenn Sie Glück haben, ist die Katze, bei der Sie wohnen, ein friedfertiges Geschöpf, das wenig gegen Ihre Anwesenheit einzuwenden hat. Sie leben dann im stillen Frieden neben Ihrer Katze und sind für jeden Maunzer dankbar, wie sich das für einen rechten Katzenmenschen gehört. Sie schweben im Glück, wenn das Katzenvieh Sie einer Ansprache würdigt, weil es Hunger hat, und sind stolz, daß es dann zu Ihnen kommt, obwohl es der Katze an den Schnurrhaaren abzulesen ist, wie genau sie weiß, daß gerade Sie ihrem Hungerschrei nicht widerstehen können.
Ein logisch denkender Katzenfütterer könnte dabei auf den Gedanken kommen, daß man den Hunger der Katze auch als Druckmittel bei ihrer Erziehung ausnützen könnte. Die meisten einigermaßen intelligenten Tiere entwickeln ja geradezu Phantasie beim Futterbetteln. Sogar Pflanzenfresser wie die Elefanten gewöhnen sich im Tiergarten komplizierte Bettelbewegungen an, obwohl sie doch fast den halben Tag lang fressen und auch in der Freiheit kaum jemals so hungrig werden können wie ein Fleischfresser, der sechs Tage lang kein Beutetier erwischt hat. Elefanten nehmen zum Beispiel mit dem Rüssel ein Geldstück entgegen, das sie dann beim Wärter gegen Brot eintauschen. Mindestens die Hälfte aller Wildtier-Dressuren ist auf diese Belohnung durch gute Bissen aufgebaut, damit kann man von den Ratten bis zu den Schimpansen alle Lebewesen fangen.
Nur eine Katze nicht. Eine Katze macht entweder mit bei den Erziehungsversuchen, weil sie ihr zufällig Spaß machen, oder sie tut so, als ob sie einem Irren gegenübersäße, den man mit Nachsicht behandeln müsse. Der Irre sind Sie, der Katzenerzieher. Ich glaube, es ist nötig, daß ich Sie in diesem Punkte ganz brutal aufkläre, das wird Ihnen sehr viel Ärger ersparen.
Erstens also: Verlangen Sie von Ihrer Katze nur soviel, wie Ihre Katze ohnedies bereit ist, freiwillig zu geben. Zweitens: Trennen Sie sich schnell und für die Katze schmerzlos von Ihrem Tier, wenn Ihre Ansprüche größer sind als die Kompromißbereitschaft Ihrer Katze. Sie können sich vielleicht auch an einen Hund gewöhnen, aber Ihre Katze wird sich niemals an Sie anpassen. Drittens: Buchen Sie allen Unfug, allen Schaden samt den Futterkosten (im Werte eines Pelzmantels pro Katzenleben), auf Ihr Konto Lebensfreude ab – es ist einer der besten Posten, die Sie per Lebenssaldo haben können. Viertens: Erwarten Sie, wie auch sonst im Leben, bitte keine Dankbarkeit. Die Katze tut schon genug für Sie, wenn Sie überhaupt bei Ihnen bleibt. Fünftens: Vergessen Sie nie, daß es »die« Katze und nicht »der« Katze heißt. Das ist zwar eine völlig alogische Forderung, doch lebens- und katzenerfahrene Leute werden mir recht geben.
An sich müßte ich überhaupt jetzt schön sachlich weiterschreiben: Vom Lager, von der Ernährung, von der Lernfähigkeit der Katze und so weiter, von A bis Z, zum Nachschlagen für Systematiker. Doch meine Katzen haben meinen ohnedies schwach entwickelten Ordnungssinn verkümmern lassen, und so kann ich Ihnen nur von Haus- und Katzenzuständen erzählen, wie sie nicht sein sollen.
Da steht zum Beispiel das Stichwort »Lager der Katze«. Hier muß ich gleich in vielen
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