Lesebuch für Katzenfreunde
ich tat es, weil kaum etwas mich so sehr in Rage bringt – und einen Griesgram wie mich bringen täglich Dutzende von Dingen in Rage – wie Leute, die mit der Behauptung, unter einer Katzenallergie zu leiden, zum nächsten Arzt laufen, um sich von ihm sagen zu lassen, daß sie die Katze weggeben müssen, und das Tier dann ins Tierheim bringen, wo es natürlich eingeschläfert wird – obwohl es zahllose andere Möglichkeiten gäbe.
Mir war klar, daß die Auseinandersetzung mit meiner alten Freundin kein Spaziergang werden würde, aber ich war entschlossen, dennoch den Versuch zu machen, sie zu belehren. Da sie vor lauter Schniefen unfähig war, auch nur einen Ton hervorzubringen, konnte ich wenigstens damit rechnen, daß sie mich nicht unterbrechen würde. Ich erklärte ihr also, daß ich im Lauf meines Lebens an sämtlichen Allergien gelitten hatte, die dem Menschen bekannt sind.
Schon als kleines Kind, berichtete ich ihr, hatte ich Heuschnupfen, Asthma, Ekzeme und Nesselfieber gehabt, war gegen so viele Dinge allergisch gewesen, daß man es aufgegeben hatte, mich zu testen. Ich sei wahrscheinlich, fuhr ich fort, noch heute gegen die meisten Dinge allergisch. Eines jedoch hätte ich inzwischen gelernt: Wenn man Allergien nicht nachgäbe, überwinde man sie mit der Zeit oder entwickle eine Abwehr, so daß sie einem nichts mehr anhaben könnten.
Ich wartete eine angemessene Zeit, um dies alles wirken zu lassen. Dann sagte ich streng, meistens rieten die Ärzte den Leuten, ihre Katzen wegzugeben, weil sie entweder selbst Katzen nicht liebten oder weil das einfacher sei, als den anderen Allergien des Patienten auf den Grund zu gehen. Ich erzählte ihr, daß ich während meiner schlimmsten Allergieattacke einmal mehrere Monate lang in einer klimatisierten Kabine eingeschlossen worden war und von nur sechs verschiedenen Nahrungsmitteln gelebt hatte. Ich erwarte nicht, sagte ich, daß Ärzte heute noch zu solchen Verfahren griffen, aber wenn sie gewissenhaft genug wären, ihre Patienten zu testen, um festzustellen wogegen genau sie allergisch sind, und dann gezielt dagegen impften, würden sie höchstwahrscheinlich in den meisten Fällen erfahren, daß damit auch das Katzenproblem erledigt war. Und wenn das nicht der Fall sei, solle man solche Ärzte daran erinnern, daß es spezielle Impfungen gegen Katzenallergie gibt. Ich würde zwar jemandem, der seiner Meinung nach an einer Katzenallergie leidet, nicht gerade raten, mit der Katze in einem Bett zu schlafen, sagte ich weiter – wenigstens so lange nicht, bis er eine Zeit des Zusammenlebens mit der Katze bei getrennten Schlafzimmern hinter sich hatte –, aber mit der Zeit würde selbst das möglich werden und sogar die Selbstimmunisierung beschleunigen.
Nach einer weiteren angemessenen Pause kam ich zum Schluß meiner Rede. Ich fragte sie rundheraus, ob sie wisse, wie häufig sich Katzenallergien als psychisch bedingt entpuppt hätten.
Natürlich gefällt es keinem, wenn man ihm sagt, sein körperliches Symptom sei psychischen Ursprungs, und meine Freundin bildete da keine Ausnahme.
Als Schniefen und Tränen so weit nach gelassen hatten, daß sie sprechen konnte, erklärte sie bestimmt: »Bei mir ist das nichts Psychisches. Ich kann nicht einmal ein Zimmer betreten, in dem vorher eine Katze war.«
Da holte ich zum entscheidenden Schlag aus. So höflich und so wenig sarkastisch, wie es mir möglich war, machte ich sie darauf aufmerksam, daß sie sich die ganze Zeit in genau einem solchen Raum befunden hatte; in einem Raum nämlich, in dem sich Eisbär tagsüber die meiste Zeit aufzuhalten pflegte und in dem er sich auch befunden hatte, und zwar nicht weit von ihr entfernt, als wir zu essen begannen. Aber erst als er herausgekommen war und sie ihn gesehen hatte, sagte ich, habe sie ihren Anfall bekommen. Das sei doch Beweis genug, in welchem Maß ihre Allergie psychisch bedingt sei.
Ich hätte natürlich noch ewig weiterreden können, aber ich tat es nicht. Es macht mir wirklich keinen Spaß, mit Leuten zu streiten, die über das strittige Thema nicht ausreichend informiert sind oder mir dauernd mit Informationen kommen, von denen ich nichts weiß. Außerdem war meine Freundin zumindest vorübergehend invalide, und es lag mir fern, das auszunützen. Im übrigen war sie ja auch mein Gast.
Als Niesen und Schniefen endlich völlig versiegt waren, schöpfte ich neue Hoffnung und sagte mir, daß ich das intime Abendessen vielleicht doch etwas zu schnell
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