Lesebuch für Katzenfreunde
Pussyfoot-Dose aufgefressen hatte, war ihm sehr nach einem kleinen Nickerchen. Vom Essen wurde er immer sehr, sehr müde. Miss Summersby war tief in Gedanken versunken.
Schließlich sagte sie: »Ich glaube, schaden kann es nichts. Außerdem haben wir dann am Mittwoch immer was zu tun.«
Und so geschah es, daß Irving die berühmteste Katze der Vereinigten Staaten von Amerika wurde.
Kaum waren Irvings Werbespots im Fernsehen zu sehen, als auch schon der Absatz von Pussyfoot-Katzenfutter sprunghaft zu steigen begann. Wenn die Zuschauer sahen, wie Irving mit der Pfote fraß, fanden sie das so bezaubernd, daß sie sogleich Pussyfoot für das beste aller Katzenfutter hielten.
Andere Haustierfutter-Gesellschaften versuchten verzweifelt eine Katze wie Irving zu entdecken, aber das war unmöglich. Als McGruder verkündete, daß er aus Irving einen Star machen würde, war das kein dummer Witz gewesen. Irvings Verehrer-Post belief sich bald auf tausend Briefe in der Woche. Die Pussyfoot-Katzenfutter-Gesellschaft sah sich gezwungen, eine Sonder-Abteilung einzurichten, die ausschließlich damit beschäftigt war, die vielen Bitten um Fotos mit Autogramm zu erfüllen. Die Fans bekamen ein Foto, das Irving beim Essen zeigte, mit einem Abdruck seiner Pfote als Autogramm. Kinder schrieben ihm. »Ich libe dir Irving«, schrieb ein Kind, »ich treume von dich die ganze Zeit. Bite kome zu meinen Haus, ich habe ein netes warmes Bet.« In einem anderen Brief stand: »Die ganze III. Klasse der Volksschule findet Dich ganz toll, und wir hoffen alle, daß unsere Kätzchen einmal so werden wie Du. Wir finden es schön, wenn Du Deine Pfote ableckst.«
Irving wurde zur »Katze des Jahres« gewählt, sogar noch vor »Moritz, der Kater«. Schon für sein Poster zahlten die Leute einen Dollar. Die Pussyfoot-Katzenfutter-Gesellschaft erlaubte ihm, bei Spenden-Aktionen im Fernsehen zugunsten der an Gehirn-Paralyse oder Multiple-Sklerose Erkrankten mitzuwirken. Er posierte mit dem »Aktion-Sorgenkind«-Kind und besuchte Krankenhäuser, wo Kinder lagen, die an Leukämie litten. Alle Welt liebte Irving.
Die meisten Katzen, die sich so plötzlich im Mittelpunkt eines derartig hemmungslosen Katzenkultes gesehen hätten, wären sicher launenhaft und unerträglich geworden.
Nicht aber Irving.
Ihm stieg der Ruhm glücklicherweise nicht zu Kopf. Er blieb vielmehr dieselbe sanfte, liebenswerte Katze, die er vor seiner Karriere im Schaugeschäft gewesen war. Nie wurde er böse, wenn ihn Kinder liebkosen wollten. Er hielt seine Pfote hin, wenn sie jemand zu schütteln wünschte, und wenn ein Kind ihn küssen wollte, leckte er sogar sein oder ihr Gesicht ab.
Wollte ein Fan sein Foto haben, blieb Irving immer stehen, um für ihn zu posieren. Man war sich allgemein darüber einig, daß Irving eine Zierde seiner Rasse war.
Georg Kleemann
Der Katzenmensch
Ein bißchen spät muß ich nun den Kater Henriette vorstellen. Eigentlich heißt er ja »das Kater Henriette«, denn er ist – in einem Katzenbuch muß man so deutlich reden, wie sich die Katzen benehmen – kastriert. Wer Siamkater hat, der weiß, warum. Dem anderen Zeitgenossen, der noch einen heilen Hausstand, schöne Porzellanfiguren, kunstvoll gewebte Vorhänge und prächtig gedeihende Zimmerpflanzen hat, möchte ich jetzt noch keinen Schrecken einjagen. Der Kater Henriette ist also mein derzeitiger Hausgenosse, und ich würde gern sagen, daß er mich von ganzem Katzenherzen liebt. Doch leider weiß ich darüber gar nichts. Der Kater selbst hat unsere Familie schon als winziges Fellknäuel getestet und uns vom ersten Tag an unseren Dienst bei ihm zugeteilt. Schon als wir noch der Züchterin glaubten, wir hätten eine Kätzin gekauft (die wir dann, wer mag’s uns übelnehmen, »Henriette« tauften), benützte diese Handvoll Katze meine Frau als Wärmflasche und mich und die Kinder als Spielkameraden.
Dabei und bei dem Namen ist es bis heute geblieben, da die Katereigenschaften dieses Haustieres überdeutlich geworden sind. Heute streiten sich beispielsweise meine Frau und der Kater um den Schaukelstuhl, während ich das liebe Tier bei seinen Spaziergängen begleiten darf. Im fremden Gelände allerdings, wenn wir die einzig bekannten Lebewesen sind, trottet er gnädigst mit uns und klettert sogar mit auf die Bäume. Das geht meistens in der Reihenfolge: Tochter, Sohn, Vater, Kater vor sich, das heißt, der Sohn und die Tochter müssen vorausklettern, damit ich sie im Notfall auffangen kann, ich
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