Lesebuch für Katzenfreunde
selber die Katzen liebhaben, sondern auch darüber, warum die Katzen (vielleicht) manchmal den Menschenfreund als eine liebenswerte und angenehme Mitkatze anerkennen.
Von der Katze her gesehen wäre das sicher leicht zu ergründen, vom Menschen her ist’s schwieriger, insbesondere, da man ein Katzenmensch sein muß, um den Regungen unter einem Katzenfell ein bißchen näherzukommen. »Katzenmensch«, das ist natürlich keine wissenschaftliche Definition, diese Eigenschaft ist auch schwer erklärbar und überhaupt nicht zu messen. Der eine Mensch fühlt sich wohl beim Umgang mit Katzen, der andere will nichts mit ihnen zu tun haben – im extremen Fall liebt der eine nichts anderes als nur Katzen, und der andere haßt diese Heckenräuber, als ob sie die Pest ins Haus brächten.
Beim Hundemenschen ist’s dasselbe. Der Hundenarr ist geradezu ein fest umreißbarer Typus, manchmal gehört er sogar zu den Katzenhassern, und dann hetzt er seinen Hund auf alle Katzen und freut sich, wenn sich die Tiere blutige Kämpfe als Freßfeinde liefern. Ich glaube, daß beide, der Mensch, der nur Katzen liebt, und derjenige, der nur Hunde gern hat, im Grunde gar kein Tier leiden mögen, sondern in dem Tier nur einen Partner sehen, an dem sie ihr wirres Seelenleben abreagieren können. Der eine liebt nur die souveräne Freiheit, die sich auch die umhegteste Katze im Verkehr mit ihrem Menschen herausnimmt, der andere nur die sklavische Unterwürfigkeit, zu der manche arg domestizierten Hunde fähig sind. Der eine will beherrscht werden, der andere will herrschen, und sei es auch nur seinem Hunde gegenüber. Wie viele Komplexe, Triebe und Sehnsüchte werden doch an Tieren ausgelebt, weil die Menschen, die sich als die Besitzer der Tiere dünken, mit ihren Mitmenschen nicht zurechtkommen!
Der rechte Katzenmensch und der rechte Hundemensch lieben beide, Katze und Hund, und noch eine Menge anderer Tiere dazu. Sie brauchen Tiere um sich, haben aber, kaum spürbar, doch auf die eine oder andere Tierart einen größeren Einfluß, weil sie sich in die Psyche dieser Tiere besonders gut hineinfühlen können. (Psyche mag hier nicht wörtlich übersetzt werden als Seele – diese erscheint mir eine zu feste auf den Menschen bezogene Vorstellung zu sein, als daß man sie auf das Tier übertragen könnte.)
Sheila Burnford, die Verfasserin des Tierbuches »Die ungeheure Reise«, beschreibt einen typischen Tier- und Katzenmenschen, der sich unter den vielen Vierbeinern, die er schätzt, ganz besonders zu den Katzen hingezogen fühlt: AI Niemela, ein Dresseur aus dem ehemaligen Disney-Studio, der Siamkatzen zu den erstaunlichsten Dingen abgerichtet hat, ohne jemals ein Tier zur Dressur zu zwingen. AI Niemela trägt ständig eine Siamkatze wie eine Stola um die Schultern gelegt, dabei schnurrt das Tier unablässig wie ein Teekessel… dazu die Stimme Al’s, diese brummelnde, schmeichelnde, zuredende und ermahnende Stimme, mit der er seinen Katzeneleven, die ihn ausnahmslos und ohne Einschränkungen lieben, die unglaublichsten Leistungen entlockt.
Besonders unter den Tierwärtern der zoologischen Gärten gibt es viele solche intuitiv für den Umgang mit bestimmten Tieren begabte Menschen. Die Tierpflege ist überhaupt nicht zu lernen ohne ein angeborenes Verständnis für die sprachlose Welt. Wer nur mit dem Verstande – und wisse er noch so viel über die moderne Verhaltensforschung – an einen Käfig herantritt, wird bestenfalls ein Tierfütterer.
Wenn solchen wahren Tiermenschen etwa im Löwenkäfig etwas zustößt, dann ist regelmäßig eine äußere Ursache daran schuld, und sei es nur, weil die Tiere in der Gefangenschaft sich an Tagen, an denen sie schlecht aufgelegt sind, nicht ausweichen können. Ein Tiger-Dresseur erzählte mir einmal, er wisse genau, wann er nicht mit seinen Tieren arbeiten könne. Er sehe es dem einzelnen Tier an der Nase an, wenn es schlecht gelaunt sei, und nehme es dann nicht in die Manege, auch wenn die Nummer darunter leide. Der Mann war unfähig, die einzelnen Symptome der schlechten Stimmung seiner Katzen zu schildern, er empfand lediglich den Gesamtausdruck eines Tieres als arbeitswillig oder unwillig und war vorsichtig genug, sich nicht mit einer schlecht gelaunten Großkatze anzulegen. Meines Wissens ist ihm bis heute nichts passiert.
Wer ein Auge für die vielfältigen Bewegungen seines Katzentieres hat, dem geht es wahrscheinlich oft ebenso wie diesem Dresseur: man weiß durchaus, was mit dem Tier los
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