Lesebuch für Katzenfreunde
die sie befähigt, meine Anweisungen zu befolgen. So lautet die erste Lektion im Klartext: »Pfoten weg!«, wenn sie sich an die neubezogene Sessellehne hängt. Muß ich allerdings feststellen, daß das Biest in meiner Abwesenheit das dicke Tuch in fadenscheinige Frotteeware verwandelt, tadele ich sie im einverständlichen Idiom: »tztztz!«, und wickele den Sessel in die Bügeldecke, ehe ich zum Einkaufen gehe. Zeigt auch das keine Wirkung, werfe ich ihr beim Nachhausekommen die abgerissene Lehne hinterher. Das ist die Sprache, die meine Katze Lili versteht.
Etwas haben meine Katze Lili und ich doch gemein. Wir sind beide alte Junggesellinnen; ich aus freien Stücken, sie, weil ich ihrem Treiben, das mir stinkende Kater und einen unübersichtlichen Haufen Nachwuchs in der Wohnung bescherte, durch Dr. Möller in der Wielandstraße ein Ende bereiten ließ. Seitdem herrscht Ruhe, bis auf einen unberatenen schwarzen Kerl, der manchmal durchs Parterrefenster hereinstarrt – nach Lili. Meine Affären enden so, daß ich unberatenerweise schwarzen Kerlen hinterherstarre. Soweit die Ähnlichkeit.
Oft schon habe ich bemerkt, wenn ich beim Frühstück von der Zeitung aufsehe, daß meine Katze Lili, die zur selben Zeit eine Kleinigkeit in der Küchenecke zu sich nimmt, wie in Gedanken versunken auf das Resopal neben ihrem Teller blickt. Sollte auch sie vom einsamen Mampfen angeödet sein? Möchte auch sie beim Essen ein wenig gebildet und unterhalten werden? Sollte ich neben der ›Rundschau‹ etwas Entsprechendes abonnieren? Dumme Fragen. Selbstverständlich nicht. Meine Katze versucht sich zu erinnern, wo sie das Papierbällchen einmagaziniert hat, mit dem sie am Abend durch die Wohnung gefegt ist, und wenn ihr das eingefallen ist, ob es die Mühe lohnte, das Knäuel für eine weitere Runde unter dem Kühlschrank hervorzuangeln. Bildung? Unterhaltung? Schon die farbigen Wurst-Anzeigenblätter vom Schade gehen über ihren Horizont. Sie blättert sie nicht mal um.
Meine und Lilis Feinde sind die Amseln. Wenn eine im Baum vor dem Fenster dieses abscheuliche Zetern anfängt, weil sie meine Katze hinter der Scheibe dösen sieht, öffne ich bisweilen das Fenster und befehle: »Faß!« Was geschieht? Die Amsel kreischt empört auf, und Lili galoppiert unter das Bett. Daraufhin klatsche ich laut in die Hände und schreie in den Baum hinauf: »Verpiß dich!« Passanten auf dem Bürgersteig beziehen das manchmal auf sich und werfen mir empörte Blicke zu. Was nun? Schrot? Flammenwerfer? Oder gleich die Rolläden runterlassen?
Es kommt vor, daß ich mich meiner Katze gegenüber unbeherrscht aufführe. Das ist der Klügeren unwürdig, aber sie hat manchmal ein Benehmen an sich, das mich provoziert und erbittert. So heischt sie immer dann meine Aufmerksamkeit, wenn ich an der Schreibmaschine sitze und mit einem Text nicht vorankomme. Sie stellt sich dann vor den Heizkörper, tritt von einem Hinterbein auf das andere, versetzt ihren aufgeplusterten Schwanz in heftige, schlängelnde Zitterbewegung, als stünde sie unter Strom, und reißt dabei die Klappe zu einem fast unhörbaren Krächzen auf. Das ist so ihre Art, um Zärtlichkeit zu werben. Ich versuche zunächst, sie auf die vernünftige Art abzuweisen: »Jetzt nicht, Lili, du siehst doch, daß ich arbeite, hock dich wieder auf dein Kissen.« Aber das fruchtet nie. Oh, diese sehnsüchtigen kleinen Schreie, mit denen sie sich auf dem Teppich wälzt – gerade so weit von mir entfernt, daß ich vom Stuhl stürzen muß, um ihren Bauch zu kraulen. Und streift mein Finger dann den grauen Pelz, zuckt sie altjüngferlich zurück und entwetzt – nur um sich zwei Minuten später wieder anzuschleichen. Meine Geduld ist kurz. Ich öffne das Fenster und sage barsch: »Du nervst! Verschwinde!«, was sie unter bedauernden Quietschlauten auch tut. Spätestens wenn ich zu Bett gegangen bin, reut mich meine Herrschsucht. Ich vermisse den warmen Kloß, um den ich sonst meine Füße arrangiere, und male mir Gefahren auf Straßen und in Hinterhöfen aus. Alle zehn Minuten hänge ich am Fensterladenspalt und wispere in die Nacht hinaus: »Lili? – Lili? – swswswswswss.« Bin ich dann endlich eingeschlafen, wecken mich ihre heulenden, tiefempfundenen Klagelaute, die ankündigen, daß sie soeben nach Hause gekommen ist, bei ihrem Ausflug etwas Unbekömmliches aufgelesen hat und auf den Teppich kotzen wird.
Wenn ich verreist bin, kümmern sich zwei reizende Nachbarinnen um Lili. Das geht so weit,
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