Lesebuch für Katzenfreunde
daß sie ihre Lese- und Fernsehstunden in meine Wohnung verlegen, um der Katze Gesellschaft zu leisen, die von soviel Zuwendung irritiert ist und allen Annäherungsversuchen quiekend entspringt. Kehre ich heim, rufe ich schon an der Tür nach ihr. Sie aber verharrt reglos und stumm auf der Fensterbank, bis ich mich installiert habe – nicht aus Trotz, sondern um sich selbst zu schonen. Der Vorgang des Kofferauspackens bringt uns nämlich wechselseitig zum Rasen; sie mit wirbelnd-durchdrehenden Stummelbeinen übers Linoleum, wenn die Zahnbürste mit einem Klack in den Becher zurückfällt. Ich wiederum muß mich über dieses schreckhafte Tier erregen, das prompt aufsucht, was seinen Nerven den Rest gibt.
Erst die Morgenstunde sieht uns in gelöster Stimmung. Der getigerte Klops zu meinen Füßen entrollt sich; hervor kommt meine Katze Lili, die mit elektrifiziert bebendem Schwanz über die vom Plumeau geräumte Matratze stakst, um ihre Stirn gegen den Bettpfosten zu rammen. Dabei gibt sie eine Folge von schnarchenden und seufzenden Lauten von sich, die ich glucksend und flüsternd beantworte, während ich ihren Schwanz durch meine Finger wickele. Dann fliegt mich wohl der Verdacht an, daß meine Katze Lili und ich allmählich zusammen alt und dumm werden, aber ein Trost erwächst mir daraus nicht.
Anja Meulenbelt
Saar und Pu
Saar wurde rollig. Früher als ich erwartet hatte, sie schien mir noch so jung. Es war eine Katastrophe. Saar, mit der man sich sonst vernünftig unterhalten konnte, lief jetzt schreiend durchs Haus, auf der Suche nach – ach, wenn sie das nur wüßte. »Woooww«, ertönte es in einem fort, wobei vor allem das letzte aus solch tiefen, hallenden Gewölben zu kommen schien, daß ich mich fragte, ob da nicht ein elektronischer Verstärker im Spiel sei.
Nun bin auch ich manchmal rollig und fühlte mit ihr. Aber so schlimm, so völlig ohne Ansehen der Person, war es bei mir doch nie gewesen. Selbst beim heftigsten Anfall von Lust und Begierde sah ich mir das in Frage kommende Objekt wenigstens kurz an, wenngleich sich dieser Blick im Nachhinein als durch Geilheit verschleiert erwies. Im Nachhinein, ja. Manchmal kann ich wirklich nicht mehr verstehen, was ich einmal in jemandem gesehen hatte. Ab und zu passiert es mir, daß mich ein Herr auf einer Caféterrasse lauthals begrüßt, und zwar auf eine Art und Weise, die deutlich macht, daß es ihm vor allem darauf ankommt, seinen Kumpeln zu verstehen zu geben, daß er mich nicht nur kennt, sondern mich auch gehabt hat. So einen sehe ich mir dann noch einmal an, und die einzige Entschuldigung, die mir für meine Geschmacksverirrung einfällt, ist die, daß ich sehr jung war und sehr rollig. Viele Komplikationen im menschlichen Leben hängen mit der komplizierten Beziehung zwischen Lust und Liebe zusammen. Viele Frauen (auch ich) verlieben sich bei ernsthafter Geilheit auch sofort, was meist katastrophale Folgen hat. Im Gegensatz dazu gibt es Männer, die sich Lust nur dann erlauben, wenn sie sich nicht verlieben, und die bei den ersten Anzeichen wirklicher Leidenschaft panikartig die Flucht ergreifen.
In der menschlichen Liebe wimmelt es nur so von Mißverständnissen, unerfüllbaren Sehnsüchten und unvermeidlichen Blessuren, und das einzig Gute daran ist, daß es sich zu Literatur verarbeiten läßt.
Katzen aber schreiben keine Sonette. Ich wollte vom Liebesleben der Katzen berichten, nicht von meinem, obwohl es aufmerksamen Lesern längst klar sein dürfte, daß Schriftsteller immer von sich selbst sprechen, wenn sie vorgeben, über ihre Katze zu schreiben. All diese Macho-Kater in der Weltliteratur, all diese katzenhaften Verführerinnen: nichts als Projektionen. Man bitte einen Autor, etwas über sein Lieblingshaustier zu schreiben, und man bekommt reine Autobiographie, in der weniger gelogen und verschwiegen wird als in den offiziellen Ego-Dokumenten. Zurück zu Saar.
Das Liebesleben der Katzen ist sehr übersichtlich. Da ist einmal Sex, und Sex dient der Fortpflanzung und damit basta. Daneben gibt es Erotik, Sinnlichkeit und Intimität. Das dient dem Vergnügen. Und dann gibt es vielleicht auch noch so etwas wie Liebe, obwohl wir das aufgrund der Tatsache, daß Katzen keine Sonette schreiben, nicht sicher wissen. Ich habe lange geglaubt, daß Katzen Liebe nur schätzen, wenn sie der Empfänger sind. Würden wir ihnen erlauben, unsere Einrichtung zu ramponieren, wenn wir sie nicht so abgöttisch liebten? Sie wissen es sehr zu würdigen, wenn
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