Lesereise Abu Dhabi
Bevölkerung sehr beliebten Vaterfigur Zayed, geboren 1918, gewidmet sein, der 2004 starb. »Derzeit laufen Aufrufe an die Einwohner«, erzählt Hend al-Otaiba, Tochter eines langjährigen Ölministers und Zayed-Beraters und heute in Konzeption und Marketing der Museen eingebunden, »sich zu melden und Erinnerungen beizutragen, Geschichten zu erzählen und eigene Puzzlesteine ins Gesamtbild einzufügen.« Zayed gilt gemeinhin als allürenfrei, als volksnah und zugänglich. Ein anderer Bereich soll der Geschichte und Kultur der Stämme der Region gewidmet sein und aufzeigen, aus welchem Kontext Zayed bin Sultan al-Nahyan entsprang.
Zwanzigtausend Einwohner hat Saadiyat bereits jetzt. Es sind Leute, die eines Tages wieder wegziehen werden: zurück zu ihren Familien in Indien, Pakistan, Bangladesh, auf den Philippinen und in China. Es sind die Arbeitskräfte aus Asien, die die architektonischen Großtaten im Morgenland möglich machen. Sie wohnen in eigens errichteten »Camps« genannten Siedlungen, schlafen dort in Mehrbettzimmern – und haben es, zumindest was die Quartiere angeht, diesmal deutlich besser als bei manchem vorausgegangenen Megabauvorhaben in den Emiraten. Investor TDIC traut sich sogar, ihre einige Straßenzüge große Wohnsiedlung unter den verschiedenen Saadiyat-Projekten einzeln auszuweisen und im Internet mit Werbevideo und Fotos vorzustellen. Das macht man nicht, wenn man sich dafür schämt – oder schämen müsste.
Trotzdem gibt es Wirbel um diese ersten Einwohner Saadiyats. Hundertdreißig Künstler, viele davon aus dem Mittleren Osten und namhaft, haben sich in einer Initiative zusammengefunden, um für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen dieser Männer zu kämpfen. Sie drohen mit Boykott des Guggenheim-Museums und wollen keine eigenen Werke für Ankäufe zur Verfügung stellen, wenn der namensgebende Kunstkonzern aus New York sich nicht für die Interessen dieser Billiglöhner aus Fernost stark mache. Stehen am Ende eines Siebenundzwanzig-Milliarden-Dollar-Projekts leere Museumswände? Ausgeschlossen. Aus zwei Gründen. Weil niemand diese Peinlichkeit zulassen wird. Und auch weil es viele andere Werke gibt, die man hängen könnte.
Helge Sobik
Hier steppt die Antilope
Auf der Insel Sir Bani Yas im Persischen Golf bauen die Scheichs eifrig an ihrer eigenen Serengeti – mit mehr als viertausendfünfhundert Antilopen und frei lebenden Raubkatzen
Tierprofessor Bernhard Grzimek hätte seine helle Freude daran gehabt. Alle sind sie da: die Antilopen, die Strauße, die Giraffen, ja selbst die schüchternen Kropfgazellen. Überall grast, äst, kaut und scharrt es mit den Hufen. Um uns herum nichts als sahneweiße Antilopen, milchkaffeefarbene Böcke, bockende Berberschafe. Wie ein zarter Schleier aus Seide umschmeicheln die ersten Lichtstrahlen die Sandberge. Um die kleine Wasserstelle grasen ein paar Berggazellen. Einige Berberschafe defilieren durch die Savanne. Regungslos steht eine Hirschziegenantilope auf einer Anhöhe und lässt sich die wärmenden Sonnenstrahlen auf das Fell scheinen. Und wir sitzen in unserem Safari-Outfit fassungslos auf der Rückbank des Wagens, starren in die Ebene, und wissen nicht, wohin wir zuerst blicken sollen. Es ist fast so wie in einem von Grzimeks Dokumentarfilmen aus Ostafrika: irrwitzige Landschaften und Tiere, so weit das Auge reicht. Doch der Ort des Geschehens ist ein anderer: die Insel Sir Bani Yas, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate.
Die Insel schien in braunes Packpapier gewickelt zu sein, als wir am frühen Morgen vom Anantara Desert Islands Resort aufbrachen. Der Dunst hing noch tief, das erste Sonnenlicht fiel in Kaskaden durch die Wolken, und wir waren nicht sicher, ob es echte Wolken waren oder nur die Feuchtigkeit der Nacht, die sich über die Insel gelegt hatte wie ein Bettlaken. Gut eine halbe Stunde waren wir unterwegs, als Rangerin Nicky dem Schaukeln ein Ende machte und den offenen Jeep auf einem Hügel zum Stehen brachte. Von dort war das Eiland beinahe vollständig zu überblicken: Links Wasser, rechts Wasser, vorne Wasser, hinten Wasser. Aber wo waren die Tiere? Nicky sprach noch einmal ins Funkgerät. Dann bog der Wagen um eine Kurve, und auf einmal standen sie da: Gazellen in rauer Menge. Friedlich grasten sie dort, wo eigentlich nur Sand war. Sand und ein paar struppige Büsche.
Sir Bani Yas, etwa zweihundertfünfzig Kilometer von Abu Dhabi Stadt entfernt und gerade mal siebenundachtzig Quadratkilometer groß,
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