Lesereise Abu Dhabi
Ereignisse überschlagen sich. Fünf gegen vier. Die Nationalmannschaft nimmt den Torwart vom Eis. Sechs gegen vier. Powerplay. Der Puck läuft an der Drittellinie hin und her. Immer wieder ergeben sich hervorragende Einschussmöglichkeiten. Mehrere Male schlägt die Scheibe knapp neben dem Kasten der Scorpions ein. Doch am Ende retten Kaddas und seine Mannen den Vorsprung über die Runden. Nach genau sechzig Minuten beendet die Sirene das Spiel. Etwas kalt ist es einem um die Nase nach beinahe zwei Stunden in Sommerklamotten am kältesten Ort Abu Dhabis. Doch das vergeht schnell. Denn wer aus dem Gefrierfach hinaus auf die Straße tritt, dem schlägt die heiße Luft Arabiens wie ein Brett ins Gesicht.
Fabian von Poser
Schlafen wie ein Sultan
Eine Kuppel so groß wie die des Petersdoms in Rom, die Fassade länger als die des Schlosses von Versailles und im Durchschnitt drei Bedienstete pro Zimmer – eine Übernachtung im Emirates Palace sprengt jede Vorstellungskraft
Bin ich Scheich? Bin ich Sultan? Ich schlage die Augen auf. Um mich herum jede Menge Plüsch. Kissen aus Gold, Decken aus Gold, Vorhänge aus Gold. Suchend streifen die Blicke umher, vorbei an der riesigen Holzkommode und dem mächtigen Sekretär hinüber zum Fenster. Halt, da war doch was, da steht doch was. Die kühle Luft der Klimaanlage umschmeichelt meine Wangen, das honiggelbe Licht der Nachttischlampe wirft seine Strahlen auf den Marmortisch am Fuß des Bettes. Zur Begrüßung hat der Butler ein Silbertablett auf das Zimmer gebracht: Äpfel, Orangen, Ananas, Papayas, Mangos und Trauben. Dazu eine Flasche Champagner und eine Auswahl Pralinen – jede überzogen mit einer hauchdünnen Schicht aus Blattgold. Kann das sein? Ja, es kann, denn ich bin Scheich, Scheich für Momente.
Es klingelt. Im Türrahmen steht Joper, der Technology-Butler. »Bitte bleiben Sie liegen, Mister von Poser, darf ich Ihnen Ihren Koffer bringen?« Der junge Filippino hat seine weißen Samthandschuhe übergestreift, der Kragen des goldbestickten Blazers ist akkurat zurechtgerückt. »Und ich möchte Ihnen unser Computersystem erklären.« Jopers Mundwinkel formen sich zu einem breiten Grinsen, die Augen funkeln. Mit geschickten Handgriffen nimmt er den einen Meter fünfundzwanzig großen Plasmabildschirm in Betrieb und schaltet den mobilen Touchscreen ein. »Sie wissen gar nicht, was Sie damit alles machen können«, sagt er. »Rufen Sie mit diesem Gerät den Zimmerservice, regulieren Sie vom Bett aus das Licht, die Aircondition, hören Sie Musik, sehen Sie hundertsechzig Fernsehprogramme, gehen Sie ins Internet und stöbern Sie in unserer Online-Bibliothek mit mehr als achttausend Titeln in englischer, französischer und arabischer Sprache. Sie können sich Ihr Lieblingsbuch sogar vorlesen lassen.«
Ich tippe verunsichert auf der Oberfläche der etwa ein Kilo schweren Tastatur von der Größe eines Schuhkartons herum. »Wollen Sie Mozart oder Beethoven hören oder lieber etwas Modernes? Und wissen Sie eigentlich, wie der DVD -Player funktioniert?« Ich nehme den jungen Mann kaum noch wahr, lasse stattdessen den Blick durch das fünfzig Quadratmeter große Zimmer kreisen. Meine Augen schweifen über das zwei Meter breite Doppelbett, den goldenen Kronleuchter, den mit Rosenblüten dekorierten Bettvorleger und den blank polierten Marmorfußboden im Gang. »Ach ja, und wenn Ihnen die Rezeption zu weit ist, dann rufen Sie bitte an«, reißt mich Joper aus den Gedanken, »wir holen Sie dann mit dem Elektroauto ab.«
Das Emirates Palace in Abu Dhabi ist eines der extravagantesten Hotels der Erde. Dürfte man mehr als fünf Sterne vergeben, dann hätte der Palast wohl sieben. Mit rund drei Milliarden US -Dollar ist der Bombastpalast eines der teuersten Hotels, die jemals gebaut wurden. Kein Wunder, denn jede der hundertvierzehn Kuppeln ist mit Blattgold verziert, die kilometerlangen Gänge sind mit hundertzehntausend Kubikmetern feinstem Marmor aus Italien, Spanien, Indien und China ausgelegt. In den dreihundertzwei Zimmern und zweiundneunzig Suiten – noch nicht mitgezählt die sogenannten Ruler Suites, die nicht vermietet werden, sondern ausschließlich den Herrscherfamilien der Staaten des Golf-Kooperationsrats zur Verfügung stehen – erwartet die Gäste eines der modernsten Multimediasysteme, die je ein Hotel gesehen hat. Und auch die Menge des Personals ist rekordverdächtig: Derzeit beschäftigt der Palast tausendzweihundert Mitarbeiter aus sechzig Ländern – das
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