Lesereise Friaul und Triest
habe, obwohl man inzwischen nichts mehr am Hut habe mit Kernseife, Bienenwachs und Möbelpolitur.
Die Scublas bieten keine ausgesucht teuren Delikatessen an, ihr Geschäft ist ein Feinkostladen im eigentlichen Sinn des Wortes, mit pasta , Reis und polenta, grappa und Wein, Käse und mortadella . Dazu sughi und Konfitüren, Dosen mit eingelegtem Gemüse und Fisch, feinste Schokolade, Mandelcreme und kandierte Früchte. Daneben Alltägliches: Puddingpulver, Ramazzotti, Joghurt. Ein Laden für alle, die dem Supermarkt nicht trauen. Einkaufen, verkosten, schwatzen. Wer sich dafür nicht Zeit nimmt, der versäumt das Leben.
Cividale ist eine langsame Stadt. Der Natisone, der sich vom Gran Monte kommend durch die Colli Orientali gen Meer wälzt, gibt den Rhythmus vor. In Cividale hat er sich tief in das Tal gegraben und eine Schlucht hinterlassen, mit felsigen Ufern und versteckten Buchten. Hier baden die Vögel. Große Steine liegen im Wasser wie kleine Inseln. Gröbere Brocken stauen den Fluss zu einem See, tiefblau. In ihm spiegelt sich der Himmel. Wo der Strom wieder freikommt, bilden sich Wirbel und Wellen. Sie glätten sich schnell, das Wasser treibt friedlich weiter. Eine fast schon meditative Landschaft. Hier hat es niemand eilig.
Der Natisone ist die Lebensader der Stadt. Steile Mauern steigen vom Flusslauf nach oben, darauf Häuser, Kirchen und Tempel, eine keltische Nekropole. Die mittelalterliche Teufelsbrücke verbindet die Ufer. Cividale zählt zu den ältesten Städten des Friaul. Schon die Kelten haben hier gesiedelt. Ein Hypogäum, eine unterirdische Kulthöhle, duster und geheimnisvoll, erinnert daran. Seltsame, aus dem Stein gehauene Köpfe lassen den Besucher nicht aus den Augen. Eine Grabanlage? Man weiß es nicht genau. Später, als die Römer die Siedlung okkupierten und zum Forum Iulii befestigten – aus jener Zeit rühren die Namen der Julischen Alpen und des Friaul –, wurde der Raum als Gefängnis benutzt.
Mit der Völkerwanderung wird Cividale von allen Seiten bedrängt. Zuerst fallen die Ostgoten ein, dann die Byzantiner, zuletzt die Langobarden, die hier um 568 nach Christus ihr erstes Herzogtum in Italien errichteten und die Region zu befrieden und gegen Slawen und Awaren zu verteidigen suchten. Cividale erfährt in jener Zeit eine wirtschaftliche, aber auch kulturelle Blüte. Als kriegerisches Nomadenvolk hatten die Langobarden die Metallverarbeitung kultiviert. In den Nekropolen von San Giovanni, Cella und San Gallo wurden prächtige Schwerter, Dolche und Armbrüste gefunden. Sie sind heute in der Sammlung des Museo Archeologico Nazionale von Cividale zu bestaunen, im Palazzo dei Provveditori, den Andrea Palladio entworfen hat. Dort liegen die Kämme der Frauen, ihre Gürtelschnallen und Haarnadeln, aber auch Amulette und Ketten aus Bernstein und Tierzähnen, eng am Körper zu tragen, um Unheil abzuwehren.
In jenen Jahren, da die Langobarden den Norden Italiens erobern und unterjochen, hüten sie die Traditionen ihrer germanischen Heimat. Gleichzeitig öffnen sie sich dem mediterranen Kulturraum und holen Künstler aus verschiedensten Mittelmeerländern an ihren Hof. Ein neuer Stil bildet sich aus. In ihm spiegelt sich das Formenrepertoire der späten Antike und des frühen Christentums, das sich mit Elementen der byzantinischen, persischen und auch arabischen Welt zusammenschließt. Formen, Figuren und Symbole durchdringen einander, dekorative, zoomorphe und florale Motive gehen eigenwillige Verbindungen ein.
Das oktogonale Taufbecken des Callixtus aus griechischem Marmor ist eines dieser eigensinnigen Kunstwerke: ein marmorner Sockel, der das Becken umschließt, darauf acht Säulen mit korinthischen Kapitellen. Die Rundbögen und Reliefplatten sind reich dekoriert, mit Blütenranken, Weinblättern und Palmwedeln, mit Greifen und Schlangen, mit geflügelten Stieren und Ungeheuern aus dem Meer. Eine friedlich-naive, aber auch beunruhigende Welt, magisch beseelt. Den Horror Vacui gilt es zu bannen und einen fantastischen Kosmos zu beschwören. Geheime Zeichen verweisen in die Moscheen von Konstantinopel und Isfahan, in die Koranschulen von Marrakesch und Granada, in die Kulthöhlen der Alpen. Norden, Süden und Osten verbinden sich in ihrer Angst vor der Leere, vor dem Schrecken der Nacht und den Geißelungen der Fantasie.
Der gegenüberliegende Ratchis-Altar scheint jeden Spuk zu brechen. Ein monumentaler Block, mit dem Taufbecken des Callixtus in ein lautloses Zwiegespräch
Weitere Kostenlose Bücher