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Lesereise Friaul und Triest

Lesereise Friaul und Triest

Titel: Lesereise Friaul und Triest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schaber
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Umrisse eines Ofens, eines Rauchkanals und eines Kaminsockels. Auf vorsichtige Weise sucht man den Schrecken festzuhalten, der eigentlich nicht fassbar ist: In der Risiera di San Sabba war zwischen 1943 und 1945 das einzige Vernichtungslager auf italienischem Boden eingerichtet.
    Als die Deutschen im Herbst 1943 Triest besetzen und die Gegend zur »Operationszone Adriatisches Küstenland« erklären, präsentieren sie sich als Nachfolger des österreichischen Kaiserreichs und versprechen, an die wirtschaftlich goldenen Jahre des 19. Jahrhunderts anzuknüpfen. Auf diese Weise finden sie Anhänger und Kollaborateure. Schon kurz nach diesem Anschluss an das Dritte Reich beginnen die Umbauarbeiten in der Risiera. Odilo Globocnik wird zum obersten SS - und Polizeiführer ernannt. In seiner Geburtsstadt Triest sucht er weiterzuführen, was er in den Konzentrationslagern von Treblinka, Belzec und Sobibór gelernt hat.
    Gut fünftausend Menschen, großteils italienische und slowenische Widerstandskämpfer, wurden in San Sabba umgebracht, etwa zwanzigtausend von hier aus deportiert. Schon in den zwanziger und dreißiger Jahren waren etwa hundertfünfzigtausend osteuropäische Juden von Triest aus nach Palästina emigriert, der Hafen galt als »Porta di Sion«, die Pforte Zions. Jene Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Triest, die noch geblieben waren, wurden bei der Machtübernahme der Deutschen aufgespürt und in San Sabba zusammengepfercht. Von hier aus schickte man sie in die großen Vernichtungslager weiter. » Gino Parin/ Maler/ Schrieb er sich «, heißt es in einem Gedicht von Carolus L. Cergoly,
    Aber in der Synagoge
    In den Büchern
    Nannte er sich Pollak
    Eines Abends festgenommen
    Zur Überprüfung
    In die Reisfabrik verbracht
    Keiner hat ihn mehr gesehn
    Im Caffè del Ponterosso
    Gestern spie der Kamin
    Rauch in allen Farben
    Auf verschlossene Fenster
    Verzweifelte Fenster
    Des Viertels
    San Sabba.
    Als im April 1945 jugoslawische Partisanen die Stadt einnehmen und für sich beanspruchen, folgen vierzig Tage schlimmer Repressionen und Racheakte: Etwa dreitausend Menschen verschwinden oder werden in der Karstschlucht von Basovizza umgebracht, unter den Opfern des Pogroms sind italienische Patrioten, Faschisten und Kollaborateure. Die Stadt erstarrt in Angst und fühlt sich von aller Welt verlassen. Bis endlich die Alliierten eingreifen und die Region zweiteilen. Triest und ein schmaler Streifen des Hinterlands fällt unter anglo-amerikanische Verwaltung, Istrien an Jugoslawien. Ein Exodus beginnt. Gut dreißigtausend italienischsprachige Flüchtlinge, so schätzt man, verlassen die istrische Halbinsel, um sich in Triest anzusiedeln. Die Stadt verfällt in Ratlosigkeit und Depression, die Grenzsituation schürt neue Ängste. Eine jahrzehntelange Ungewissheit macht sich breit. Erst 1954 wird die Zone A, wie sie heißt, provisorisch der italienischen Zivilverwaltung unterstellt und 1975 schließlich die Demarkationslinie als italienisch-jugoslawische Grenze festgelegt und damit Triests Zugehörigkeit zu Italien bestätigt. Dazwischen liegen Jahre des Wartens und des Gefühls, nicht mehr zu sein als eine kleine Figur auf dem Schachbrett der Mächtigen. Einmal mehr weiß man in Triest nicht, woran man ist und wo man lebt. In niemandes Land.
    »Triest ist eine Abstellkammer der Zeit, jenes großen Trödlers, unter dessen Händen die Lorbeerkränze zu dürrem Laub werden und der Ruhm zu Plunder«, so Claudio Magris und Angelo Ara. »Es ist eine Stadt am Rande, in der man verstehen lernt, dass das an den Rand Gedrängte, das Verdrängte und das Relikt die Hüter der Wahrheit und der Geschichte sind, einer Geschichte des Elends, der Auszehrung, der Finsternis.« Triest galt lange Zeit als graue, triste Stadt. Untertags kamen die Busse aus Jugoslawien, da boomten die Geschäfte, doch abends zogen die Touristen wieder ab. Totentanz auf den Straßen. Hier hausten die Melancholie, der leichte Silberblick, das Schweigen. Es gab nicht viel zu reden. Selbst die Paläste, diese Zeugen einstiger Pracht, schienen tot, die Häuser in den engen Gassen feucht und duster, die Spiegel blind. »Überdruss die Gegenwart; was die Vergangenheit betrifft/ nur Reue; die Zukunft Drohung.« Umberto Saba.
    Vieles hat sich verändert, seit der Eiserne Vorhang gefallen ist. Triest, einst in einem toten Winkel gelegen, ist nun das Tor zum Balkan, zum Osten Europas. Die Stadt scheint ein Stück weit aufzublühen, mit neuen Perspektiven kehrt die

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