Lesereise - Inseln des Nordens
die Empfehlung aussprachen, weniger Walfleisch zu essen, gaben sie dazu den folgenden Kommentar: »Wir sind sehr traurig, eine solche Empfehlung geben zu müssen. Der Grindwal diente den Färingern über viele Jahrhunderte und hat in dieser Zeit wahrscheinlich vielen Menschen das Leben gerettet. Aber die Zeiten und die Umwelt ändern sich, und deswegen meinen wir, dass diese Empfehlung medizinisch nötig ist.«
Auch Ministerpräsident Johannesen, der in seiner Jugend selbst beim Walfang mit dabei war, hat Walfleisch von der Speisekarte seiner Familie fast ganz gestrichen. Nur noch einmal im Jahr komme es bei ihm auf den Tisch, sagt er. Um völlig darauf zu verzichten, schmecke es eben doch zu gut.
R. K.
Gehen oder bleiben?
Auf den Färöern streitet man darüber, ob das Land unabhängig werden soll
Høgni Hoydal arbeitet in Dänemark. Trotzdem tut er alles dafür, dass er seinen Arbeitsplatz in Kopenhagen so schnell wie möglich verliert. Høgni Hoydal ist Parteichef der sozialistischen Republikanischen Partei und einer der beiden färöischen Abgeordneten im Parlament in Kopenhagen, und er kämpft für die Unabhängigkeit der Färöer von Dänemark.
Seit dem 11. Jahrhundert gehörten die Färöer zu Norwegen, durch die Kalmarer Union waren sie ab 1380 mit Dänemark verbunden, und das blieb auch so, als sich 1814 die Union auflöste. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts gab es auf politischer Ebene keine ernsthaften Bestrebungen in Richtung Unabhängigkeit. Die Färöer waren weitgehend von den Zahlungen aus Dänemark abhängig, und es entwickelte sich auf den Inseln das Gefühl, ohne dänische Hilfe nicht überleben zu können. Im April 1940 besetzte Großbritannien die Färöer, um einer Invasion durch Nazideutschland zuvorzukommen. Ins dänische Mutterland waren zur gleichen Zeit Hitlers Truppen einmarschiert, und so war das Band zwischen den Inseln und dem Mutterland zerrissen.
Diese von außen aufgezwungene Trennung änderte das Selbstbild der Färinger. Da ihnen die Briten weitreichende Freiheiten zugestanden, setzte sich allmählich die Erkenntnis durch, dass die Inselgruppe auch ohne Dänemark überlebensfähig sein könnte. Als die Briten nach Ende des Zweiten Weltkriegs abzogen, waren die Färöer politisch gespalten. Dies kam auch 1946 in einer Volksabstimmung zum Ausdruck, in der sich völlig überraschend eine – wenn auch nur minimale – Mehrheit für die Ablösung von Dänemark aussprach. Da die Wahlbeteiligung relativ gering war und das färöische Parlament anders als die Bürger für den Verbleib bei Dänemark votierte, erkannte Dänemark das Abstimmungsergebnis nie an, gewährte den Inseln aber eine weitgehende Autonomie. Deswegen sind die Färöer beispielsweise auch nicht Mitglied der EU . Als Dänemark 1973 der Europäischen Gemeinschaft beitrat, weigerten sich die Färinger nämlich aus Sorge, die Selbstbestimmung über den Fischfang zu verlieren, ebenfalls diesen Schritt zu tun.
Die Färinger sind stolze Menschen. Sie lieben ihr Land und reagieren wie alle kleinen Völker allergisch, wenn sie das Gefühl haben, bevormundet zu werden – sei es von Dänemark, der EU oder auch einer Umweltschutzorganisation, die ihnen den Walfang verbieten will. Keiner solle es wagen, sich in die inneren Angelegenheiten einzumischen. Die wahren Freunde sind die anderen »Kleinen«. Nicht von ungefähr hat man die besten Beziehungen zu Island und Grönland.
Die Färinger sind stolz auf ihre eigene Währung, die färöische Krone, die allerdings mit einem Wechselkurs von 1 : 1 an die dänische Krone gebunden ist, ihre eigene Flagge und vor allem ihre eigene Sprache. Färöisch ist mit Altnordisch und Isländisch verwandt, und es ist noch nicht allzu lange her, dass man sich um die Weiterexistenz der Sprache hatte sorgen müssen. Für einige Zeit hatte es so ausgehen, als würde das Dänische an die Stelle des Färöischen treten. Diese Ängste gibt es heute nicht mehr, speziell die jungen Leute sind stolz auf ihre Herkunft und ihre »exotische« Sprache.
Am Nationalfeiertag, dem 29. Juli, versammeln sich Jahr für Jahr weit mehr als zehntausend Menschen – rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung – auf dem alten Thingplatz am Hafen der Hauptstadt Tórshavn. Die meisten von ihnen tragen Tracht und überall weht die Nationalflagge – ein rotes blau gerändertes Kreuz auf einem weißen Hintergrund – im nie nachlassenden färöischen Wind.
Allerdings will nicht jeder, der stolz die färöische Fahne trägt,
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