Lesereise - Inseln des Nordens
auch weg von Dänemark. Heute sind die Inseln in der »Dänemark-Frage« ebenso gespalten wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Käme es erneut zu einer Abstimmung, wäre der Ausgang vermutlich genauso knapp wie damals.
Ginge es nach Kaj Leo Johannesen, müsste sich am Istzustand auch nichts ändern. Er ist Ministerpräsident der Färöer und gehört den »Unionisten« an, einer Partei, die den Verbleib bei Dänemark propagiert. »Small is beautiful«, meint er lächelnd, nur um dann hinzuzufügen, »but large is powerful«, und in einer Union mit Dänemark und Grönland sei man eben beides: schön und mächtig. Auch die Vergangenheit spricht laut Johannesen für die Fortsetzung des Bündnisses. Immerhin sei man schon über sechshundert Jahre mit Dänemark zusammen, und das war bis jetzt sehr positiv für die Färöer. Auch die aktuelle Weltwirtschaftskrise spiele den Unionsbefürwortern und damit seiner Partei in die Hände, meint er: Seit Islands Staatsbankrott seien die Leute in der Frage der Unabhängigkeit vorsichtiger.
Der ehemalige Fußballnationaltorwart und Fischgroßhändler ist erst seit Kurzen im Amt. Es könnte sein, dass er es auch nicht lange bleibt. Schuld daran wäre die Frage der Unabhängigkeit. Im Wesentlichen gibt es auf der Insel vier große Parteien – zwei links- und zwei rechtsgerichtete. In der Dänemark-Frage sind aber die beiden Lager in sich gespalten – das heißt, dass die Parteien, die sich in anderen Fragen politisch nahestehen, beim Thema Unabhängigkeit völlig unterschiedliche Ansichten haben. Deswegen tragen Koalitionen auf den Färöern immer die Möglichkeit des schnellen Scheiterns in sich.
Müsste Johannessen seinen Stuhl räumen, wäre Høgni Hoydal sein wahrscheinlicher Nachfolger. Er ist der Vorsitzende der größten Oppositionspartei, deren Name im Ausland meist als »Republikaner« wiedergegeben wird. Da man spätestens seit George W. Bush hinter diesem Etikett eine erzkonservative Politik erwartet, ist das Label irreführend – die Republikaner stehen im färöischen Parteienspektrum nämlich am weitesten links. Wörtlich übersetzt würde Hoydals Partei »Partei für die Macht des Volkes« heißen. Das klinge zwar sperrig, gibt Hoydal zu, gebe aber das Wesen der Partein durchaus korrekt wieder.
Hoydal betont, dass seine Republikaner keine nationalistische, sondern eine internationalistische Partei sei, die die Loslösung von Dänemark will, um dann als unabhängiges und tolerantes Land an der Weltpolitik teilnehmen zu können. Die dänische Alimentierung beschränke die Eigenverantwortung, sagt Hoydal, der dem Mutterland auch unlautere Motive unterstellt. Zwar tue man in Kopenhagen so, als hätte man gegen die Unabhängigkeit der Färöer keine Einwände. In Wahrheit fürchteten die Dänen aber genau das, ist Hoydal überzeugt. Dann nämlich wäre ein Präzedenzfall für Grönland geschaffen: Die größte Insel der Welt wolle Dänemark aber auf jeden Fall behalten. Durch die Klimaerwärmung und das abschmelzende Eis werden dort Bodenschätze, unter anderem auch Erdöl, zugänglich, die man bisher nicht abbauen konnte. Ein neuer Reichtum, an dem auch Dänemark seinen Anteil haben wolle. Auch im Meer vor den Färöern ist man schon auf Öl gestoßen, allerdings noch nicht in Mengen, die den Abbau rechtfertigen würden. Dass in Zukunft vielleicht auch hier mit Erträgen zu rechnen sei, bilde, laut Hoydal, einen weiteren Grund für Kopenhagen, an den Färöern festzuhalten.
Doch der Weg in die Unabhängigkeit scheint noch weit. Nicht wegen der starken Widerstände aus Dänemark, sondern, im Gegenteil, weil die dänische Regierung den Färöern weitgehende Freiheiten lässt und sich nicht in die Inselpolitik einmischt. Viele Färinger können deswegen mit dem Istzustand gut leben und haben nichts dagegen, wenn neben der eigenen Nationalflagge, dem Merkið , auch der Danebrog weht.
R. K.
Der Strandhafer kann Islands Erdkrume halten
Natur und Literatur im unwirtlichen Norden
Die Sonne scheint, der Wind rauscht in den Blättern des Wäldchens. Die Reisegruppe liegt genusssüchtig im Gras, mit Blick auf bizarre Tuffsteinfelsen im blau blitzenden Wasser des Mývatn. Kaum einer hatte gehofft, dass der Spätsommer in Island so sonnig sein würde, kaum einer gewusst, dass es auf Island überhaupt Wälder gibt. Alle finden’s wunderbar – aber Jón, der Reiseleiter, brummelt. Augenscheinlich passt ihm etwas nicht. Was das für Bäume seien, fragen wir ihn. Alaska-Kiefern und
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