Lesereise - Inseln des Nordens
durch diese hohle Felsengasse gefegt sind, muss neu aufgeforstet werden. »Der Gorbatschow ist eingegangen«, heiße es dann, zum Beispiel.
B. S.
Schluss jetzt mit dem Wetter
Reiten oder ins Gewächshaus – Urlauber auf Island haben viele Möglichkeiten
Eine Stunde schon reiten wir hier. Das Land liegt in stumpfen Farben da. Den Himmel bleigrau zu nennen, würde ihn farbintensiver machen, als er ist. Er ist grau. Aber so genau kann man es nicht erkennen, weil man dazu die Augen richtig öffnen müsste. Das geht schlecht, weil dann Regen hineinliefe. Es ist nicht einer dieser dramatischen Weltuntergangsregengüsse, die Islands Südküste manchmal überrollen, sondern nur Nieselregen. Wind weht uns die Nässe in den nackten Nacken. Für die Pferde scheint es keinen Unterschied zu machen, unbeirrt schreiten sie durch Moos und Sumpf und über holprige Lavabrocken. Sie sind klein, tapfer, unerschrocken und trittsicher.
Eine Stunde schon reiten wir so dahin. Wir sehen nicht wirklich aus wie sportliche Reiter, eher wie die berittene Müllabfuhr in unseren knall-orangefarbenen Regenüberzügen, den einzigen Farbtupfern im graugrünen Hinterland. Nach einer Stunde sagt Sofia: »Wir haben echt Glück, das Wetter ist gar nicht so schlecht.« Das ist kein Anfall von isländischem trockenen Humor, falls es das überhaupt geben sollte: Etwas typisch Isländisches, das zugleich trocken ist. Immerhin, sagt Sofia, wüte doch kein Schneesturm, den es ja auch zu fast jeder Jahreszeit geben kann. Nach einem Ritt im Schneesturm fühle man sich toll, sagt sie, und betont das »nach«. Auf dem Reiterhof Eldhestar gelte der Grundsatz: Solange die Gäste nicht absagen, wird geritten. Sie töltet los, unsere Pferde tölten hinterher. Das ist die spezielle hoppelnde Gangart der Islandpferde, für Reiter bequemer, als es aussieht. Denn es sieht aus wie eine Zirkusnummer. Nicht wie die von der Spanischen Hofreitschule, und auch nicht wie akrobatische Indianer-Reitspiele, sondern wie die Lachnummer, in der Hasen auf trippelnden Pferderücken durchgeschüttelt werden. Die Hasen sind wir.
Sofia trägt ein derart sonniges Gesicht durchs Leben, dass das äußere Wetter keine große Rolle spielt. Um mit Pferden zu arbeiten, kam die junge Schwedin nach Island. »Ich kam hierher und kannte mich nicht aus mit Islandpferden«, erzählt Sofia. »Kein Problem, das kriegen wir schon hin«, habe der Reithofbesitzer gesagt. So sei das Leben in Island, nach Möglichkeiten, und nicht nach Vorschriften, ausgerichtet. Für Pferde hingegen ist Island so etwas wie eine Gefangeneninsel, isländische Pferde dürfen ihre Heimat nie verlassen. Tun sie es doch, und sei es nur zu einem Turnier, dürften sie nicht wieder zurück, wegen der Seuchenbekämpfung.
»Ja, ich habe ein Pferd«, sagt die Neunundzwanzigjährige, und was wie die Erfüllung eines Jungmädchentraums klingt, sei hier auf Island »nix«. Manch Isländer habe zweihundert Pferde, das sei nichts Besonderes. Siebzigtausend Pferde grasen auf Island, eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass unlängst gerade der dreihunderttausendste Einwohner geboren wurde, in Njarðvík an der Südküste, wo auch die Pferde gezüchtet werden. Auf Deutschlands Bevölkerung gerechnet bedeutete das: Durch märkischen Sand und bayerische Berge würden neunzehn Millionen Pferde »galoppeln«.
Islands einheimische Tierwelt war karg, als norwegische Wikinger im 9. Jahrhundert die Insel besiedelten. Es gab nur Füchse und Vögel, die Wikinger brachten Haustiere, Rinder, Schafe und bald auch Pferde nach Island. Die sorgten dafür, dass im Laufe der Jahrhunderte die Flora karg wurde. Früher überzogen ausgedehnte Weideflächen das Landesinnere, Schafe und Pferde fraßen sie kahl. Und wenn die Neubürger mal wieder übers Meer wollten und Schiffe bauten, holzten sie die Wälder ab.
Der katastrophale Vulkanausbruch des Laki im Jahr 1783 zerstörte die Landwirtschaft. Ascheregen machte die Böden kaputt, Vieh starb an Vergiftungen, Hungersnöte breiteten sich aus. Da beschlossen die Isländer, das genügsamste Tier des Nordens einzuführen: Das Rentier. Keine schlechte Idee, nur hätten sie die Hirten mitimportieren sollen. Die Kombination aus isländischen Bauern und herumziehenden Rentierherden funktionierte nicht. Schon bald verwilderten die Tiere. Es gibt heute etwa fünfhundert Stück, sie grasen in den Ostfjorden und sind nun Jagdwild. Es konnte gar nicht gehen, ist doch bis heute so mancher Isländer stolz darauf, seit
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