Lesereise - Israel
dem Schwarz ist jeder Fleck sichtbar. Da hilft auch der weit verbreitete Brauch, die teuren Stücke im Winter nur unter übergestülpten Plastiktüten zu tragen, nicht viel. Deswegen vertraut Ferster darauf, dass auch seine prominenten Kunden in Zukunft persönlich wiederkommen werden, um ihre verbeulten oder verschmutzten Kopfbedeckungen wieder in Form bringen zu lassen. Dieser Service ist allerdings kostenpflichtig: »Wir geben zwei Jahre Garantie auf unsere Produkte, aber nur unter der Bedingung, dass der Kunde den Hut nie aufsetzt und hier im Laden lässt«, sagt Kloisner mit einem breiten Schmunzeln.
Eine Revolution zergeht auf der Zunge
Seitdem Israelis Geld in den Taschen haben und regelmäßig ins Ausland fahren, haben sie auch gutes Essen ins Land geholt
Der Lebensweg von Aviv Mosche stellt selbst das Märchen von Aschenputtel in den Schatten. Der Sohn kurdischer Einwanderer wuchs in einem Armenviertel Jerusalems auf, wo die Luft in den Straßen nach Dieselabgasen, Urin und dem Müll großer grüner Sammelbehälter stinkt. Die einzigen Wohlgerüche, die Aviv in seiner Jugend kennenlernte, stiegen aus den stets gefüllten Kochtöpfen auf, in denen seine Mutter daheim duftende Köstlichkeiten zubereitete. Bereits als Kind hatte er nur ein Ziel: Er wollte Koch werden. Vor wenigen Jahren erfüllte ein reicher Diamantenhändler seinen Traum: »Ich aß in einem kleinen Lokal und wusste nach dem ersten Bissen, dass dies die leckerste Mahlzeit meines Lebens war«, sagt der reiche Gönner Avivs. Innerhalb weniger Monate entschloss er sich, dem Autodidakt aus Jerusalem, der niemals eine Kochschule besucht hatte, ein Luxusrestaurant in Tel Aviv einzurichten. »Messa« heißt der in kalter Eleganz entworfene Gourmettempel, der seit seiner Eröffnung vor wenigen Jahren zu den besten Restaurants des Landes zählt und Aviv Mosche zum Prototyp einer neuen Garde israelischer Starköche machte: jung, frech, mutig und gnadenlos begabt.
Dabei vegetierte Israel noch vor knapp dreißig Jahren in einer kulinarischen Steinzeit dahin. Israelische Kellner platzierten Messer, den Daumen stets selbstbewusst auf der hygienisch strategischen Klinge, mit mürrischem Blick auf blanken Tischen. Im Brotkorb wurde labbriges Einheitsbrot gereicht, Kaffee ähnelte faden Schlammpfützen mehr als einem aromatischen Getränk, und Wein war gegorener, gezuckerter Traubensaft, der wörtlich übersetzt »Hammerwein« hieß, wohl wegen des Kopfschmerzes, den das viel zu süße alkoholische Getränk nach seinem Genuss auslöste. »Israelis dachten, dass man nur isst, um zu überleben«, beschreibt der international angesehene Restaurantkritiker Daniel Rogov die genügsame israelische Küche der Vergangenheit. Doch in den achtziger Jahren begann eine kulinarische Revolution, die die einzige Landbrücke zwischen Asien, Europa und Afrika in ein Drehkreuz internationaler Gastronomie verwandelte. Tel Aviv mag zwar flächenmäßig nicht viel mehr als halb so groß sein wie die Stadt Fulda, doch das Angebot ist sättigend. »Auf engstem Raum drängen sich hier tausendachthundertvierundachtzig Restaurants, vierhundertzweiundzwanzig Kaffeehäuser, hundertdreizehn Patisserien und vierundzwanzig Chocolatiers«, sagt Noam Schaked, Direktor einer kulinarischen Webseite. Trotz der Fülle des Angebots muss man sich anstrengen, um auf ein schlechtes Lokal zu stoßen. »Israel muss sich hinter niemandem mehr verstecken: Unsere Restaurants haben das Niveau von New York, Paris und London erreicht«, sagt Rogov, der seine sensiblen Geschmacksknospen in den Dienst von Le Monde oder der New York Times stellt. »An dem Tag, an dem man im Ausland erkennt, dass ein Israelurlaub ungefährlich ist, steht dem Land eine Welle von kulinarischem Massentourismus bevor«, schätzt der Gourmet.
Sechzig Jahre Unabhängigkeit seien zwar nicht ausreichend gewesen, um eine neue, eigene »israelische Küche« entstehen zu lassen. »Da hier aber Einwanderer aus mehr als hundert Ursprungsländern zusammenleben, ist eine wahre Fusion-Küche entstanden«, sagt Rogov. Im Messa serviert man Gänseleber auf belgischen Waffeln mit weißer Schokoladensauce oder eine Tarte Tatin mit karamellisierten Tomaten, Ziegenkäse und Trüffelpüree. Einer der ersten Trendsetter war das »Kyoto Salsa«. Mehr als zweihundert Gerichte verquicken hier die japanische und die lateinamerikanische Küche. Carpaccio trifft auf Wasabi und Algen, zum Nachtisch gibt es ein Sushi aus Kokosnuss-Nougat-Parfait. Unter der
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