Lesereise Kulinarium - Italien
weißer Grund und über und über unregelmäßig mit grünen Glasurspritzern gefleckt. So stand ein frischer Farbklang aus Grün, Weiß und Rot auf dem Tisch, eine kleine Reverenz an die italienische Flagge.
Jetzt im Winter gab es als primo , als Vorspeise, natürlich die toskanische ribollita! Man legt den Terrinenboden mit altbackenen Weißbrotscheiben aus. Darauf wird Gemüsesuppe geschöpft. Dann wieder eine Lage Brot, wiederum Suppe drüber und noch einmal, so lange, bis die Schüssel gefüllt ist, zuoberst die Suppe. Das Brot saugt sich voll, man sticht sich den Brei ab und löffelt ihn, nachdem man etwas Olivenöl darübergegossen hat.
Im Winter wird dieses bäuerliche Gericht auch in Florenz in jeder trattoria angeboten. Das Brot ist dann zwar schon untergemengt, und das Ganze sieht nicht sehr appetitlich aus, ein graugrüner Brei, schmeckt aber vorzüglich. Fragen Sie, wenn man es Ihnen nicht sowieso stolz vor die Nase setzt, unbedingt nach dem neuen Öl, l’olio nuovo , das in den Gaststätten ab Januar in Extraflaschen bereitsteht. Ein guter Schuss Olivenöl extra vergine aus neuester Pressung gehört unbedingt über die ribollita. Am besten schmeckt das Öl übrigens, wenn es so jung ist, dass sich seine Schwebstoffe noch nicht gesetzt haben. Es sieht dann kräftig grün und trüb aus. Und wenn Sie neben dem herb-fruchtigen Artischockenaroma auch noch ein Kratzen im Hals bemerken, so ist das völlig in Ordnung und erhöht den Genuss. Ein guter Grund, im Januar nach Florenz zu reisen!
Das Kaninchen, das Robertos Mutter nun aus dem Ofen zog, il coniglio ripieno, war mit Schinken, Speck und Leber, mit Eiern, Fenchel und Kräutern gefüllt. Dazu tranken wir einen Rotwein des Hauses, der auf dem nächsten Hügel gewachsen war. Das alles unter Geplauder, Rezeptaustausch, allgemeinen Überlegungen zur Kochkunst. Dann gab es unsere biscotti di Prato in einem zwanzigprozentigen Vin Santo , den Roberto produziert hatte, und hinterher natürlich caffè.
Wir räumten das Geschirr in die Spülmaschine, la mamma zog sich zur Mittagsruhe in eines der sechzehn kalten Zimmer zurück und der Hund wedelte erwartungsvoll. Wie ein Fohlen galoppierte er in großen Sprüngen um uns herum, als wir ins Freie traten, sein Fell glänzte in der Sonne und in der Weite sah die Landschaft wie von einem Spinnennetz überzogen aus.
Wir spazierten durch die Weinberge, die der Familie gehören, schauten den zukünftigen Hühnerstall an, den Roberto gebaut hatte, und gingen ins Kelterhaus. Dort gluckerte, von einem Heizstrahler auf Temperatur gehalten, der Wein vor sich hin. Und weiter hinten, auf mehrere Räume verteilt, lagen Trauben, klein, rot und schwarz, auf Tischen ausgebreitet oder an Haken von der Decke herabgehängt, um noch weiter zu trocknen und dann zu Vin Santo verarbeitet zu werden. Die Fenster werden morgens geöffnet, damit die Trauben schön viel Luft bekommen, und abends wieder geschlossen, damit sie nicht frieren.
Was für ein Bild! Durchs offene Fenster der Blick auf die besonnte bräunliche Landschaft, während innen, im Dunkel von der tief stehenden Sonne angestrahlt, die zum Teil schon etwas verschrumpelten Trauben sanft erglühten.
Vor dem Haus hingen an einem Haken knallrote Zwergtomaten von der Decke, für die pappa al pomodoro, auch eine dicke Wintersuppe, eine Variante der ribollita, die aus Brot mit Tomaten gekocht wird.
Dann ging es wieder a casa , wo wir uns am Kamin aufwärmten.
Es polterte vor der Tür, il babbo kehrte von der Jagd heim. Er trat ins Haus wie aus einer anderen Welt. Aus der Männerwelt der Abenteurer, der nomadisierenden Jäger und Sammler. Nicht groß war er, aber stattlich und kräftig, in Stiefeln und Pullover, Jägerjacke, Fellmütze, ein Gesicht mit Bart, großer Nase, Schlitzaugen. Un bell’ uomo, ein Mannsbild, das sich nach überstandener Gefahr wieder auf den warmen Herd und die weiche Welt der Weiblichkeit freute.
Die Sau hätten sie nicht gekriegt, erzählte er, denn ein Eber habe die Hunde angegriffen. Keine Jagdbeute heute.
Er streckte seiner Frau die geschlossene Faust hin und lächelte sie verliebt an: »Apri la mano!«, »Mach deine Hand auf!«, befahl er. Dann ließ er ein paar glänzend braune Edelkastanien, die er für sie im Wald gesammelt hatte, in ihren Handteller gleiten. Sonst nichts. La Signora schloss ihre Finger fest um den Schatz und blickte ihren alten Kavalier so selig an, als hätte er ihr gerade einen Diamantring zur Verlobung geschenkt.
Und
Weitere Kostenlose Bücher