Lesereise Kulinarium - Spanien
Guipúzkoa, grasen die langhaarigen Latxa-Schafe, aus deren Milch jene Köstlichkeit gewonnen wird, die nach einem der Nachbarorte von Segura benannt ist: der Idiazabal-Käse. »Ein cremiger Käse mit einem unverwechselbaren Geschmack nach Mandeln, Nüssen und natürlicher Milch von Tieren, die im Sommer auf den kühlen Höhen und im Winter in den geschützten Lagen des Goierri-Tals weiden«, erklärt Felix.
Währenddessen rührt er stoisch im Stahlbottich und wartet, dass die weiße Masse gerinnt, bevor er sie mit einem Spezialmesser in handliche Stücke schneidet, anschließend portionsweise in Tücher wickelt, in Plastikbehälter füllt, mit einem Deckel verschließt und am Ende in eine Apparatur schiebt, deren Hebelvorrichtung den letzten Rest Flüssigkeit aus den Käseklumpen presst. Zum Trocknen kommen die Laibe in den Nebenraum, in dem sie entweder tage-, wochen- oder sogar monatelang lagern, je nachdem, ob sie mit einem milden sanften oder einem würzigen kräftigen Geschmack an die Kunden geliefert werden sollen.
Bis vor fünfzehn Jahren hat Felix als Metzger gearbeitet. Dann besann er sich auf die Tradition seiner Vorfahren, die vier Generationen lang als Schafhirten ein Auskommen fanden. Doch von ihren hundertdreißig Tieren und dem Käsemachen allein kann die Familie heute nicht mehr leben. Deshalb betreibt Karmela im Ort einen kleinen Laden, in dem sie die Produkte ihres Mannes – etwa tausendsechshundert jeweils ein Kilo schwere Käseräder pro Jahr – in Eigenregie vermarktet und verkauft. Außerdem haben die Jauregis ihren Hof kostspielig restauriert und sechs komfortable Zimmer für Feriengäste eingerichtet. Im Gemeinschaftsraum unter dem Dach hängen noch mehr Diplome und weitere Auszeichnungen. Neben historischen Aufnahmen sind außerdem etliche Fotos zu bestaunen, auf denen Felix stolz Siegerkäse ins Bild hält. Einige Tausend Euro kann ein solcher köstlicher Batzen wert sein, während das Renommee, das er seinem Hersteller beschert, unbezahlbar ist.
Eigentlich haben wir hier nichts zu suchen. Und wir hätten den unscheinbaren Raum in einem Untergeschoss irgendwo in Intxaurrondo, einem Außenbezirk von Donostia, ohne die freundliche Einladung und die exakte Wegbeschreibung der Hausherren auch niemals von alleine gefunden, trotz des Schriftzugs »Artzak-Ortzeok« an der Fassade, der bedeutet: »Nimm es, es ist da«. Denn dies ist das Revier eines txoko , einer geschlossenen gastronomischen Gesellschaft, die man auf keinen Fall als biederen »Kochklub« bezeichnen sollte.
Die ersten txokos wurden um 1870 in San Sebastián gegründet, als weltliche Entsprechungen der religiösen Bruderschaften der Schutzheiligen. Ihre Mitglieder trafen sich zum Diskutieren und Kartenspielen außerhalb der häuslichen Umgebung; vor allem aber wurde das gemeinsame Kochen, Essen und Trinken gepflegt. Anfangs trieb man sogar zusammen Sport, wie die Pokale, Statuen und Di-plome in den Vitrinen der 1921 gegründeten Sociedad Artzak-Ortzeok bezeugen. Damals waren die txokos berüchtigt für ihre strengen Regeln: Frauen und Fremde hatten keinen Zutritt, Politik war als Gesprächsthema tabu. Berühmtheit und Ansehen erlangten sie indes als glühende Verfechter der jahrhundertealten baskischen Kochkunst.
Heute gibt es allein in Donostia hundertdreißig gastronomische Gesellschaften mit insgesamt zwölftausend Mitgliedern. Unter ihnen sind weltweit geschätzte baskische Spitzenköche wie Juan Mari Arzak und Pedro Subijana, mit deren Gourmetküchen manche txokos durchaus wetteifern können. Etwa das Artzak-Ortzeok von Martxel, Jesús und Txiki, die an diesem Abend in der rustikalen Essstube in Intxaurrondo am Profiherd aus rostfreiem Stahl stehen. Es sind lauter fröhliche Kerle, die dennoch mit dem nötigen Ernst in Töpfen rühren und Pfannen schwenken.
Der heutige Speiseplan verzeichnet croquetas de bacalao (Stockfischkroketten), merluza en salsa verde (Seehecht in grüner Sauce) und tartaletas de rabo de toro (Stierschwanztörtchen). Als bestens eingespieltes Team gehen die Männer einander blind zur Hand, keiner ist sich für das Gemüseputzen oder Zwiebelschneiden zu schade. In der Txoko -Küche sind alle gleich, egal ob Lastwagenfahrer, Volksschullehrer oder Steuerbeamter. Endgültig vorbei sind die Zeiten, als die Männerzirkel ausschließlich handwerks- oder berufsgenossenschaftlichen Charakter hatten. Nur den Abwasch, den überlässt man der Putzfrau, die am nächsten Tag kommen und wieder für Ordnung
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