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Lesereise Kulinarium - Spanien

Lesereise Kulinarium - Spanien

Titel: Lesereise Kulinarium - Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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rufen wird.
    Balmaseda liegt dreißig Kilometer westlich von Bilbao, dort, wo das Baskenland an die Provinz Burgos grenzt. Der Ort zählt siebentausend Einwohner; am Tag des Stadtpatrons, dem 23. Oktober, bevölkern obendrein ein paar Tausend Gäste den mittelalterlichen Stadtkern. Von der ersten Morgenstunde an ziehen die Besucher durch die engen Gassen und schnuppern an köchelnden Gemüsesuppen, die mit allerlei Wurstsorten, Olivenöl, Kräutern und gelegentlich auch einem Schuss Alkohol verfeinert werden. Der zeitige Spaziergang ist wie ein Flanieren durch eine riesige Freilichtküche, in der Jung und Alt, Frauen und Männer, Profis und Hobbyköche nach Kräften schaben, schnippeln, rühren und würzen.
    An jeder Straßenecke, vor jedem zweiten Hauseingang brodelt und dampft jenes Küchenutensil, von dem die Einheimischen stolz behaupten, es sei einzigartig auf der ganzen Welt: die putxera , ein zylindrischer Metallbehälter, der von unten durch eine Art Schublade voller glühender Kohlen befeuert wird. Die Geschichte des ungewöhnlichen Kochgeräts geht auf die Eisenbahnarbeiter zurück, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in dieser Gegend die Schienen nach León verlegten. Sie nutzten die Glut der Lokomotiven, um in primitiven Kesseln ihre Mahlzeiten zu garen, gewöhnlich ein schlichter Brei aus Bohnen und Kartoffeln.
    Mit der Zeit sind sowohl das Kochgeschirr als auch die Speisen anspruchsvoller geworden. Manche Töpfe glänzen mit kupfernen Ziselierungen und kunstvollen Beschlägen so golden, als wären sie für königliche Tafeln bestimmt. Andere stehen auf derart filigranen, elegant geschwungenen Füßen, dass man auf dem groben Pflaster in der Altstadt von Balmaseda ernsthaft um ihr Gleichgewicht bangen muss. Der Inhalt vieler putxeras indes bietet einen ersten Vorgeschmack auf das, was den Reiz auch der gehobenen baskischen Küche von heute ausmacht – einer Küche, die seit einiger Zeit Weltruf genießt, weil sie sich wie kaum eine zweite auf die Verbindung von handfester kulinarischer Tradition und zeitgenössischer Kreativität versteht.
    Die Stimmung am Tag des heiligen Severino ist ausgelassen und ausgesprochen typisch, denn in ihr fließen die Lust der Basken am Feiern und die Passion für gutes Essen und Trinken mit ihrem ausgesprochenen Faible für Wettbewerbe jeder Art zusammen. Wer bei Meisterschaften im Steineheben und Baumstammhacken, bei Gehorsamkeitsprüfungen für Hirtenhunde und Turnieren für Granitquader schleppende Ochsengespanne in Begeisterung verfällt, findet ebenso gut am kulinarischen Kräftemessen leicht Gefallen.
    Das wissen auch die cofradías , die in den vergangenen Jahren überall im Baskenland entstanden sind. Diese zunftähnlichen Vereinigungen haben sich meist einem einzelnen Lebensmittel verschrieben. Sie widmen sich dem Schutz und der Pflege der Kartoffel aus Álava, des Lachses aus dem Bidasoa, der Blutwurst aus Llodio, der Bohnen aus Tolosa, des Käses aus Idiazabal oder eben des Eintopfs aus Balmaseda und veranstalten zu diesem Zweck am liebsten Wettbewerbe.
    Felix Jauregi Errazkin und seine Frau Karmela aus Segura konnten schon so manchen Wettkampf für sich entscheiden. Auf den Regalen ihrer umgebauten Scheune steht nicht nur altes, liebevoll herausgeputztes Landwirtschaftsgerät, sondern auch ein Dutzend blitzblanker Pokale, in deren Sockel beider Namen eingraviert sind. An den Wänden hängen Diplome hinter Glas, bestickte Baskenmützen und eine regelrechte Girlande aus Gold-, Silber- und Bronzemedaillen, eine davon in Form eines gespaltenen Teufelsfußes. Auf dem Tisch vor dieser beeindruckenden Trophäensammlung harren drei Stangen Brot, eine Schüssel mit Walnüssen und eine mit hausgemachter Quittenmarmelade, zwei Flaschen Rotwein und Txakolí – baskischer Weißwein – sowie, als Höhepunkt der vormittäglichen Zwischenmahlzeit, ein schwerer kreisrunder, honiggelb leuchtender Käselaib geduldig ihres Verzehrs.
    Laut Produktionsplan, sagt Felix, habe er heute seinen freien Tag. Doch wenn Gäste da sind, öffnet der knapp sechzigjährige Baske mit der weißen Schürze auch schon mal außerplanmäßig die Tür zur Käseküche und schreitet resolut zur Vorführung. Die Jauregis besitzen einen von hundertfünfzig baskischen Privatbetrieben, in denen der Käse noch nach althergebrachter Methode, also in aufwendiger Handarbeit, hergestellt wird. Nur hier, fünfzig Kilometer südlich von San Sebastián, am östlichen Rand der baskischen Provinz

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