Lesereise Kulinarium - Spanien
weit verzweigten Wurzelsystems. Im Herbst werden die Felder abgefackelt und die Rhizome mit der Maschine aus der Erde geborgen. Die horchata werden nun getrocknet und sind danach, ähnlich wie Hülsenfrüchte, lange halt- und verfügbar. Um zur horchata zu werden, müssen die Früchte zermahlen, mit Wasser aufgegossen, gezuckert und gefiltert werden. Kein Wunder übrigens, dass König Jaime nach dem stärkenden Trunk seinen Feldzug siegreich beendete. Chufas sind nämlich ein äußerst gesundes Nahrungsmittel. Sie enthalten einen hohen Anteil von Ballaststoffen und ungesättigten Fettsäuren, außerdem Biotin, das Haut und Haare stärkt, sowie Rutin, das die Blutgefäße schützt. Zudem spenden Erdmandeln viel Eiweiß sowie Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium und Magnesium.
Das einstige Dörfchen Alboraya, heute ein Vorort Valencias, gilt als Zentrum des Chufa -Anbaus. Natürlich darf hier eine horchatería nicht fehlen. Die Traditionsadresse Horchatería Daniel, Familienbetrieb in der dritten Generation, ist eine Institution für die Liebhaber der Erdmandelmilch. Selbst der saudische König flog hier schon per Hubschrauber ein, um ein Glas horchata zu genießen. Im großen Gastraum reitet König Jaime fast lebensgroß auf dem bunten Fliesenbild an der Wand. Alt und Jung sitzen einträchtig vor den Gläsern und tunken fartons , luftiges Hefegebäck mit Zuckerguss, in das flüssige cremefarbene Gold. Im Sommer sitzt man gern auf der Terrasse und genießt eine mit Eiskörnchen versetzte horchata als granizado .
»La Clara«, die Helle, wird Valencia genannt. Wer die drittgrößte Stadt Spaniens besucht, kann sich auch in der City vom Pflastertreten bei einer horchata erholen. Seit 1836 schenkt El Siglo den Zaubertrank aus. Gegenüber, direkt an der gleichnamigen Plaza, findet sich die Traditionsadresse Santa Catalina. Auch hier nahmen Bohemiens und Bourgeoisie schon zur Belle Époque ihre Erdmandelmilch. Blasco Ibáñez, der berühmte einheimische Freigeist und Literat, wusste um die Bedeutung des valencianischen Vitalstoffes, mit dem er seine kreativen Pausen zu begründen pflegte: »Heute schreibe ich nicht, denn ich muss horchata trinken gehen.«
Claudia Diemar
Die Ministerin, die Feinschmecker und der Anisakis
Schutz spanischer Konsumenten oder Attentat auf die Haute Cuisine?
Spaniens Gesundheitsministerin Elena Salgado hat ein seltenes Talent, die Gastronomiebranche zu verärgern. Ihr Anti-Tabak-Gesetz hat sich zwar weitgehend als Farce erwiesen, stellt es den Eigentümern kleinerer Lokale doch frei, ob sie lieber ihre rauchende oder ihre nichtrauchende Kundschaft verprellen. Daher locken nun die meisten davon, ganz gesetzestreu, mit der Botschaft »Rauchen erlaubt». Zu den Nebenwirkungen des Gesetzes gehören die Scharen von Rauchern, die ihrem Laster zu später Stunde im Freien frönen – dorthin vertrieben aus den großen, zumindest theoretisch rauchfreien Nachtlokalen. Auf der Gasse bandelt sich’s leichter an als im Getöse der Klubs; da solches aber nicht unbedingt im Flüsterton geschieht, werden nun manchenorts Klagen über zunehmenden Nachtlärm laut. Was im Grunde wiederum die Gesundheitsministerin auf den Plan rufen müsste. Merkwürdigerweise hat sich diese jedoch, gerade was die den Spaniern zugemutete Lärmbelastung betrifft, bisher taub gestellt.
Dafür erkannte Frau Salgado – angesichts der Massen übergewichtiger Spanier – in den XXL -Hamburgern einer bekannten Fastfood-Kette einen weiteren verboteswürdigen Feind der Volksgesundheit. Gefahr droht dieser freilich nicht nur durch die comida basura (Junkfood); auch Feinschmecker genießen neuerdings ministeriellen Schutz. Der Sündenbock ist in diesem Fall ein Wurm, ein ekliger kleiner Parasit: der Anisakis. Nicht zufällig trägt er einen japanischen Namen, denn die Anisakiasis genannte Infektion ereilt vorwiegend die Liebhaber roh genossener Speisefische. Gewöhnlich bleibt es bei gastritisartigen Beschwerden, äußerst selten ist ein chirurgischer Eingriff nötig. Um die Verbreitung der Anisakiasis einzudämmen, sind Spaniens Gastwirte neuerdings gehalten, frischen Fisch entweder bei mindestens sechzig Grad zu garen oder ihn, sofern zum rohen Genuss bestimmt, zuvor auf minus zwanzig Grad tiefzukühlen. Dies sind die Grenzwerte, die der Schmarotzer nachweislich nicht überlebt.
Es waren Spaniens Spitzenköche, die den Regierungserlass umgehend als Attentat auf ihre Kunst bezichtigten. Einer der Gastro-Gurus verglich die Vorschrift mit
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