Lesereise Kulinarium - Spanien
sorgen wird. Sie ist nach wie vor die einzige Frau, die die Küche betreten darf. Alle anderen Damen, ebenso wie etwaige Gäste, dürfen nur auf Einladung einen Platz an einem der langen Esstische einnehmen und sich dann ausnahmsweise einmal von Männern bedienen lassen, von denen die allermeisten zu Hause niemals einen Finger krumm machen würden. Dafür haben sie schließlich ihre Gattinnen.
Donostia/San Sebastián ist nicht nur eine Txoko -Hochburg, sondern zugleich die kulinarische Hauptstadt Spaniens, wenn nicht gar Europas. Nirgendwo auf der Welt, nicht einmal in der Millionenstadt Paris, ist die Michelin-Stern-Dichte höher als im Atlantikseebad mit seinen nicht einmal zweihunderttausend Einwohnern.
Zu den lukullischen Attraktionen der Stadt zählen aber nicht nur die Gourmet-Restaurants, die von Altmeistern wie Juan Mari Arzak, Martín Berasatgui und Pedro Subijana sowie von neuen Sternen am Firmament der baskischen Kochkunst wie dem knapp dreißigjährigen Iñigo Peña, dem Besitzer des Restaurants Narru, betrieben werden. Mindestens ebenso berühmt wie die jungen und weniger jungen Stars der baskischen Haute Cuisine sind die Pintxo -Bars. Dort werden jene Köstlichkeiten angeboten, die man im Stehen und mit höchstens zwei Bissen genießt und die überall sonst in Spanien tapas heißen, was sich mit dem Ausdruck »Häppchen« nur unzulänglich übersetzen lässt. Denn tapas wie pintxos sind mehr als nur im Vorbeigehen eingenommene Zwischenmahlzeiten. Die schmackhaften Imbisse drücken vielmehr eine Lebenseinstellung aus, bei der sich, zumindest im Fall der baskischen pintxos , Geselligkeit mit Leidenschaft für anspruchsvolle Kulinarik verbindet.
Im altstädtischen Quadrat zwischen Hafen, Basílica de Santa María, Paseo de Salamanca und Plaza de la Constitución hat sich vor allem an der Calle Mayor und der Calle Fermín Calbetón in den vergangenen zwanzig Jahren eine regelrechte Pintxo -Kultur entwickelt, die ganz selbstbewusst mit den Innovationen der baskischen Haute Cuisine konkurriert. Die ausgeklügelten kulinarischen Arrangements, unter denen sich die Tresen biegen, machen schlagartig bewusst, dass es beim Essen nicht nur ums Sattwerden geht. Intensität des Geschmacks, Textur, Stückgröße und Aroma, die Mischung aus Innovation und Bodenständigkeit wirken sich schließlich auch beim Pintxo -Liebhaber auf die Sinnesreize aus und führen zu einem umfassenden Wohlbefinden.
»Es war ein weiter Weg von den fetttriefenden Tortillas und den unter Mayonnaise begrabenen Bratfischstückchen bis hin zu den heutigen lukullischen Geniestreichen«, erklärt der Wirt der Ganbara-Bar, die sich auf Pilzgerichte spezialisiert hat. Er hat sich gelohnt. Selbstverständlich nehmen übrigens auch die meisten Pintxo -Köche regelmäßig an Wettbewerben teil, weil der Spaß an Konkurrenzkämpfen den Basken nun einmal im Blut liegt.
Seit einigen Jahren sind auch etliche Bücher auf dem Markt, die sich mit den originellsten Pintxo -Variationen befassen. Darin finden sich, höchst appetitlich ins Bild gesetzt, so verwegene Kreationen wie der mit Forelleneiern und Cognac gefüllte Seeigel, die in Brickteig frittierte Languste an Porreesauce, Kabeljau auf karamellisiertem Rotwein und das mit Kiwi, Mango, Erdbeere, Krabbe und Seeteufel gespickte Spießchen. Von diesem Holzstäbchen hat der pintxo übrigens seinen kriegerischen Namen.
In keiner Publikation aber fehlt Gilda , der Ur- Pintxo schlechthin. Er besteht aus einer grünen Olive, einer geräucherten Sardelle und drei bis vier scharfen, in Essig eingelegten Chilischoten. Seinen Namen verdankt Gilda angeblich Rita Hayworth, denn er ist genauso appetitanregend, sinnesverwirrend und gemütererhitzend wie die amerikanische Schauspielerin in dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1946.
Georges Hausemer
Die Insel des guten Geschmacks
Kulinarische Genüsse für Feinschmecker made in Mallorca
»Ich habe nie etwas Reizenderes und gleichzeitig Melancholischeres gesehen, als diese Landschaft, wo Steineiche und Johannisbrotbaum, Pinie und Olivenbaum, Pappel und Zypresse die verschiedenen Farbtöne ihrer Blätter vermischen …«, staunte schon George Sand.
Ja, jenseits von Ballermann und Badelatschen ist Mallorca noch immer eine Schönheit. Keine Wildnis macht den Zauber des Hinterlandes aus, sondern eine uralte Kulturlandschaft. Es waren die Mauren, die einst die von Trockenmauern gestützten Terrassenfelder mit Mandeln, Oliven und Zitrusfrüchten anlegten. Manche
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