Lesereise Kulinarium - Spanien
dem Eingriff eines Arztes, der wegen einer Schramme an einem Finger gleich den ganzen Arm amputiert. Der Vergleich leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die Anisakiasis in Spanien alles andere als grassiert. Neun von zehn Fällen wurden bisher, sashimi oblige, in Japan festgestellt; und selbst dort sollen es – die Dunkelziffer beiseite – jährlich allenfalls deren zweitausend sein. Das Ministerium argumentiert, bis zu vierzig Prozent der Fänge aus dem Atlantik (für das Mittelmeer werden Zahlen zwischen fünf und fünfzehn Prozent genannt) seien heute vom Anisakis befallen; es unterschlägt allerdings, dass Stichproben in spanischen Häfen bereits 1998 zu ähnlichen Ergebnissen gekommen waren. Als Ursache der hohen Prävalenz wird die Unsitte der Hochsee-Fangflotten vermutet, die Innereien ihres Fangguts, bevor dieses tiefgekühlt wird, ins Meer zurückzuwerfen.
Die Zunahme der Anisakiasis-Befunde steht jedenfalls in keinem Verhältnis zur Häufigkeit, mit der Spanier sich theoretisch dieser Gefahr aussetzen. Roh verzehrte boquerones (Sardellen) sind ein Klassiker der Tapas -Kultur. Heute findet sich zudem fast an jeder Ecke ein japanisches Restaurant; und die von der Haute Cuisine gepflegten sanften Garmethoden gelten längst auch am heimischen Herd als gute Sitte.
Die Kenner der delikaten Materie zu konsultieren, hielt das Ministerium offenbar für überflüssig. Umso fragwürdiger ist der partielle Tiefkühlzwang – zumindest lässt er etliche Fragen offen. So rückte man mit keinerlei Informationen darüber heraus, ob alle Fischsorten gleichermaßen betroffen sind (sie sind es nicht). Wider alle Logik wird auch für die aus Zuchten stammenden Lachse, Daurades und so weiter, die heute weit häufiger als ihre »wilden« Artgenossen angeboten werden, keine Ausnahme gemacht. Übereinstimmend beteuern Fischhändler wie Köche – und aus Japan tönt es nicht anders –, das Anisakisproblem sei im Wesentlichen eine Frage der Hygiene, des sachgerechten Umgangs mit der fangfrischen Ware. Werde sie rechtzeitig ausgenommen, so sei eine Infizierung des Fleisches praktisch auszuschließen.
Die Virtuosen der Fischzerlegung, die auf Spaniens Märkten täglich ihre treuen Kunden bedienen, sind für diese nun einmal glaubwürdiger als eine Ministerin, die sich durch prohibitionistische Maßnahmen hervortut. Ihr Erlass nimmt im Übrigen ausschließlich die Profiköche in die Verantwortung, während sich der private Konsument weiterhin nach eigenem Gutdünken verköstigen (oder vergiften) kann. Sollen wir, spottete ein Kritiker, vielleicht künftig mit dem Stichthermometer am heimischen Herd stehen?
Ein eigentliches Dilemma ist die Vorschrift für Spaniens Spitzengastronomie – eben jetzt, da sie Weltgeltung erlangt hat. Wenig tröstlich erscheint es da, dass in den USA , denen man in kulinarischen Belangen nicht unbedingt nacheifern möchte, ein ähnliches Gesetz schon lange in Kraft ist. Es sei allerdings nicht verschwiegen, dass selbst die japanische Alltagskost – und Japan hat Spanien sowohl hinsichtlich Fischkonsum als zweifellos auch -kennerschaft einiges voraus – zuvor mehrheitlich schockgefroren wird. Eine Methode, die im Gegensatz zum herkömmlichen Tiefkühlen den Geschmack nur unwesentlich beeinträchtigt. Über die entsprechenden nitrogengekühlten Aggregate verfügen auch Spaniens Großhändler; für die meisten Einzelkämpfer im Gastgewerbe sind sie indessen unerschwinglich. Was aber kümmern solche Details eine Behörde, die frischen Fisch auf spanischen Tellern nur noch durchgebraten (in schwammigem Amtsspanisch: correctamente cocinado ) dulden will? Ihr Erlass ist ein Pfusch, wenn nicht glücklichenfalls – wie schon das Anti-Tabak-Gesetz – eine Farce.
Markus Jakob
Gilda wird jeden Tag vernascht
Auf Schlemmertour durch das baskische Feinschmeckerparadies
Eigentlich, so gestanden die Sieger nach der Preisverleihung, sei die Sache mit dem Apfelmost nur ein spontaner, zunächst ein bisschen verrückter Einfall gewesen. Doch am Ende lohnte sich die kulinarische Schnapsidee. Nachdem die Jury den Inhalt von hundertsechsunddreißig Töpfen berochen, gekostet und bewertet hatte, stand ihr Urteil fest: Die Erfinder der mit gärendem Fruchtsaft versetzten Bohnensuppe dürfen sich nun ein Jahr lang als »Weltmeister im Eintopfkochen« bezeichnen – bis zum nächsten Mal, wenn das Städtchen Balmaseda wieder den heiligen Severino feiern und zur nächsten Ausgabe seines internationalen Putxera -Wettbewerbs
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