Lesereise Kulinarium - Spanien
den Handel. Inzwischen verlassen jedes Jahr zweihundertfünfzigtausend Flaschen kräftiger Rot- und Moscatel-Weine die »Bodegas Mendoza« in Alfaz del Pi, werden vor allem nach Japan, England, Deutschland und in die USA exportiert – und an die besten Restaurants entlang der Costa Blanca ausgeliefert.
In »fremden« Supermärkten sind Mendoza-Weine so gut wie nicht zu finden – dafür sind sie zu gut, dafür sind eine Viertelmillion Flaschen zu wenig. Und dafür sind vor allem Spanier zu skeptisch: »Sie kaufen«, meint Pepe, »lieber Rioja-Weine, bei denen man scheinbar nichts falsch machen kann, ehe sie mal einen Alicantiner probieren. Aber wenn sie mal an einen geraten sind, ist es oft ein Aha-Erlebnis!«
Die meisten der immer noch vergleichsweise wenigen Weinbaubetriebe entlang der Costa Blanca arbeiten als Kooperativen und bringen ihre Ernte zur gemeinsamen Verarbeitung ein, um davon wiederum anteilig Wein zu erhalten – kein Weg, den die Mendozas schätzen. Sie haben sich ganz bewusst keiner Kooperative angeschlossen: »Jede einzelne Traube, die wir verarbeiten, ist auf eigenem Land angebaut. Nur so hast du Einfluss auf das Ergebnis«, sagt Pepe. »Das Geheimnis sind Pflanzen, Berge, Böden – nicht Fässer, Etikettiermaschinen und Keller. Behälter und Geräte kannst du im Großhandel kaufen, einen Keller kannst du ausschachten und mauern. Aber deine Böden musst du genau auswählen. Die liefert dir keiner, die gibt es nicht im Laden. So wenig wie die Luft und das Licht. Die Kunst des Weinbaus fängt da an, wo du nicht mehr einkaufen gehen kannst.«
Das Alltagsgeschäft haben inzwischen die Söhne Pepe, der Önologe, Bruder Juan, zuständig für die betriebswirtschaftliche Seite des Geschäfts, und Bruder Julian, verantwortlich fürs Marketing, übernommen. Und aus den drei kleinen Weingärten von einst in Alfaz del Pi ist inzwischen durch Zukäufe ein stattliches Anwesen geworden – mit siebzig Hektar Anbaufläche, ein Teil davon im rund hundert Kilometer entfernten Villena im Hinterland, mit über zwanzig Mitarbeitern, dreihunderttausend Weinstöcken und mit tausendeinhundert Fässern im Keller der neuen bodega im andalusischen Stil, die so edel und teuer aussieht, dass sie auch im kalifornischen Napa Valley stehen und den Namenszug »Mondavi« über der Tordurchfahrt führen könnte. Die Mendozas haben offenbar über die Jahre gut verdient – oder gelten der Hausbank als außerordentlich kreditwürdig.
»In unseren Weinen«, schwärmt Önologe Pepe, »kannst du die Mittelmeerregion sehen, wenn du das Glas gegen das Licht hältst. Und du kannst sie schmecken – die Farbe, das geschmackliche Volumen, den Zauber. Alles!« Er meint es nicht als Werbebotschaft, turnt nicht vor einer Fernsehkamera herum, während er diese Sätze sagt, weiß nichts von Notizen und Zitaten. Er meint es ernst und ist stolz auf das, was auf seinen Böden wächst – ein paar vom voreiligen Papa weggeknipste Triebe hin oder her.
»Wir kaufen keine einzige Traube zu«, erzählt Vater Enrique. »Wir wollen die Qualität immer selbst im Griff haben. Und wir wollen unseren Spaß dabei behalten.« Er zupft wieder ein bisschen an den Blättern, entfernt hier einen Trieb, knipst dort einen Zweig ab und freut sich sichtbar am prompten Protest von Pepe.
Würde Enrique Mendoza etwas anders machen, wenn er heute noch mal von vorne beginnen könnte? »Ja«, sagt er sofort. Dann würde er zusätzlich eine Hühnerzucht aufgezogen haben. Weil die Viecher aus dem Supermarkt nicht sonderlich schmeckten und wahrscheinlich falsch ernährt würden. Oder aus der falschen Gegend stammten – nicht von der Costa Blanca. Er meint es ernst.
Helge Sobik
Rotes Gold im Land des Don Quijote
La Mancha, das raue Kernland Spaniens, schmückt sich im Herbst mit der violetten Pracht der Safranblumen
Schnurgerade läuft die Piste durch die weite Ebene. Die Felder sind bereits abgeerntet, die Wildblumen in den Chausseegräben längst verblüht. Eisenrote Erdschollen buckeln auf frisch gepflügten Feldern. Plötzlich, hinter einer Kuppe, strahlt die Landschaft in Violett. Der leuchtende lila Teppich auf dem Acker besteht aus Safranblumen. Crocus sativus lautet der wissenschaftliche Name der Pflanze.
Wer Safran hört, denkt an ferne exotische Orte, an Gewürzkarawanen, an orientalische Basare. Doch Safran gehört zu Spanien wie der fahrende Ritter Don Quijote. Hier in La Mancha wird der beste Safran der Welt gewonnen, schwören die Bauern in Orten wie
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