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Lesereise Mallorca

Lesereise Mallorca

Titel: Lesereise Mallorca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Sobik
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Verbindungen, zusätzliche Abflüge, größere Maschinen – solche Nachrichten gelten hier deshalb als Erfolgsmeldungen. Sie drücken aus, dass weiterhin Gäste kommen. Und dass es womöglich sogar wieder mehr werden könnten. Und sie verheißen Hoffnung, dass jeder Einzelne davon irgendwie und unterschiedlich intensiv die Kassen etlicher Insulaner zum Klingeln bringt.
    Es gibt sogar Menschen, die sich am Flughafen Son Sant Joan häuslich niedergelassen haben – Menschen, die dort wohnen. Niemand hat sie dazu gezwungen, und jeder von ihnen kann sich ein schöneres Leben vorstellen. Und trotzdem ist der Daueraufenthalt im Terminal für sie die bessere Wahl: Es gibt Bänke, auf denen man auch schlafen kann, Sitze zum Lesen oder Essen, kleine Ablagen für die Verpflegung. Es gibt Toiletten, Waschbecken, die Möglichkeit, die Zähne zu putzen. Die Sommer sind nicht zu heiß, die Winternächte nicht zu kalt, der Wind bleibt ausgesperrt. Von sechs Dauerbewohnern des Flughafens berichtet die Zeitung Diario de Mallorca . Es sind Menschen, die hier gestrandet sind.
    Zeitweilig war eine Deutsche darunter, die »die Katzenfrau« genannt wurde, weil sie sich gemeinsam mit Kater Mumus in ihr Schicksal gefügt hatte. Sie hatte sich mit drei Koffern, einer Decke und vielen Büchern abwechselnd an unterschiedlichen Stellen des Gebäudes eingerichtet. Ihr Leben passte auf eine Gepäckkarre. Den Urlaub all der anderen hat sie vorbeiziehen sehen. Arbeitslosigkeit hatte sie ins Terminal gespült. Von hier aus versuchte sie, wieder in Lohn und Brot zu kommen, während Freunde sie mit ein bisschen Geld und den nötigen Nahrungsmitteln versorgten.
    Zwischenzeitlich war sie ungewollt zur Lokal-Berühmtheit avanciert, nachdem sie in der deutschen Bild -Zeitung ebenso wie im spanischen Fernsehen aufgetaucht war. Lieber hätte sie in Ruhe weiter in einem ihrer Bücher gelesen. Und eines Tages war sie plötzlich aus dem Terminal verschwunden. Zurück in ein geordneteres Leben, an einen ruhigeren Ort mit mehr Privatsphäre.
    Und was mit den Menschen ist, die hier aus den Flugzeugen steigen und sieben, vierzehn oder einundzwanzig Tage später wieder abfliegen? Die meisten von ihnen kommen irgendwann wieder. Warum Sie zurückkehren? Weil es El Arenal gibt. Und das Gegenteil davon. Weil der Platz für alle reicht. Weil der Himmel ziemlich häufig blau ist, weil die Sonne scheint, es Strände gibt. Und eine Vielzahl von Flugverbindungen. Rund ums Jahr, an jedem Tag.

Plokk in Palmas »palacios«
Einmal Mallorquiner sein: herrschaftlich in der maurischen Altstadt wohnen
    Diese Nacht war es laut im Innenhof mitten in der Altstadt von Palma. Eine Orange ist vom Baum gefallen, irgendwann weit nach Mitternacht. Nur der Mond hat zugesehen, und es machte so etwas wie plokk, als sie auf die fünf Jahrhunderte alten Terrakottafliesen schlug. Normalerweise ist es leiser, normalerweise ist die Nacht nicht so unruhig im Stadtpalast Dalt Murada an der Carrer Almudaina in Palma de Mallorca. Umgebungsgeräusche sind ausgeknipst, und der Weckruf ist üblicherweise erst zum Sonnenaufgang vorgesehen – ein melodisches Kammerkonzert im Innenhof. Niemand koordiniert, niemand dirigiert die Akteure. Sie sitzen auf den Balustraden der Balkone, hocken auf den hohen Ziegeldächern und in den Wipfeln des Orangenbaumes: eine Schar Finken und Amseln. Jeden Morgen singen sie ihre Ode an den neuen Tag. Danach schweigen sie und halten siesta , um neue Kraft für den nächsten Sonnenaufgang zu tanken.
    Es ist, als ob die Gegenwart ausgeblendet wäre und im Innersten der mallorquinischen Hauptstadt nur zeitlose Geräusche zugelassen wären. Das Knarzen der zwei Meter hohen Fensterläden rund um den patio gehört dazu, wenn sie sich morgens öffnen und verschlafene Gesichter in den Hof blicken. Von außen schallt nur der Glockenschlag der Kathedrale Sa Seu aus dreihundert Meter Luftlinie Entfernung herüber – ein Klang, der Geborgenheit vermittelt.
    Über ein Dutzend außergewöhnlicher kleiner Hotels gibt es inzwischen in der Altstadt von Palma – darunter ein umgebautes Kloster und etliche renovierte Stadtpaläste, meist nur wenige Gästezimmer groß, mit meterhohen Decken, schweren Flügeltüren, Gobelins an den Wänden, mit kleinen Balkonen und viel Atmosphäre. Das Dalt Murada ist eines davon.
    In den Seitenstraßen, die manchmal zu schmal für ein Auto und immer zu eng für Reisebusse sind, ist Palma eine stille Stadt: keine Spur von der Hektik des sechsspurigen Passeig

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