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Lesereise Nordfriesische Inseln

Lesereise Nordfriesische Inseln

Titel: Lesereise Nordfriesische Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine von Soden
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durchtrennen Sie in Schritt vier behutsam den seitlichen Muskel. Lohn der Angst: Die Auster ist offen! Bleibt nur noch Schritt fünf mit dem Durchtrennen des Muskels an der Unterseite. Liebhabern läuft spätestens jetzt das Wasser im Munde zusammen …
    Florian Langenscheidt, Ururenkel des berühmten Verlegers der Wörterbücher mit dem blauen »L« auf gelbem Grund, landete 2010 einen Coup: Seiner aktualisierten Enzyklopädie »Marken des Jahrhunderts« fügte er die Sylter Royal als »erstes echtes Frischeprodukt« hinzu. Und so stieg die vollfleischige Auster, die mit ihren Vitaminen und Mineralstoffen zugleich ein hochkarätiger Gesundbrunnen ist, zur Botschafterin »German Standards« auf – neben Odol und Erdal, Penatencreme, 4711 und Sinalco. Voilà!

Ein Weltuntergangslied in Takten
Wenn Nordseestürme grollen
    Die Liste ihrer Auftritte ist lang. Die Fluten, die sie seit Jahrhunderten mit furchterregendem Trommelschlag wild schäumend an die Küsten peitschten, bekamen wegen ihrer häufigen Wiederkehr um bestimmte Tage herum kalendarische Namen: Allerheiligenflut, Weihnachtsflut, Dreikönigsflut, Fastnachtsflut oder Petriflut. Manche Fluten wurden wie Kriege nummeriert, zum Beispiel die Erste und die Zweite Marcellusflut (1219 und 1362) oder die Erste und die Zweite Dionysiusflut (1374 und 1377). Und wie Kriege, Meereskriege, wüteten sie, vernichteten sie Menschenleben, Häuser, Kirchenspiele, Vieh. Vor allem die Zweite Marcellusflut, auch Grote Mandränke genannt, die in einer einzigen Nacht das sagenhafte Rungholt unter ihren Fluten begrub. Der Hafen, seinerzeit in Nordfriesland der bedeutendste Umschlagplatz für Getreide und Salz, lag nordwestlich der heutigen Hallig Südfall. Bei Ebbe lugen zuweilen Reste von Ziegelsteinen, Scherben, Brunnenringen aus dem Schlick hervor. »Noch schlagen die Wellen da wild und empört,/ Wie damals, als sie die Marschen zerstört«, dichtete 1882 Detlev von Liliencron in seiner Ballade, die jedes Schulkind in Nordfriesland auswendig lernt. Ungleich gewaltiger, noch dazu begleitet von Gewittern, fiel 1634 die zweite »Grote Mandränke« aus. Getrieben von Südweststürmen, aufgeputscht vom Neumond, fraßen sich Brecher durch die Deiche. Die Insel Alt-Nordstrand war hoffnungslos verloren. »Die finstere Nacht hat die große Gefahr verborgen«, überlieferte ein Augenzeugenbericht. Von den achttausendachthundert Einwohnern kamen über sechstausendzweihundert um. »Viele sind in ihren Betten weggetrieben … andere haben sich, ihre Weiber und Kinder aneinander gebunden, dass die grausamen Wellen sie im Tod nicht trennen möchten.«
    Weitere schwere Fluten folgten 1717 und 1718. Wieder überschwemmte Deiche. Nicht nur an den Küsten Nordfrieslands, sondern auch in Ostfriesland bis zu den Niederlanden. In der Neujahrsflut 1721 wurde Helgolands Düne von der Felseninsel abgetrennt. Börteboote aus dicken Eichenplanken meisterten bis vor wenigen Jahren den Fährverkehr zwischen Insel und Düne, gesteuert von Helgoländer Schiffern mit lebenserfahrenen Wind-und-Wetter-Gesichtern. Was konnte diese Männer, in deren Augen sich der Horizont spiegelte, schon erschüttern? Nicht ein einziges Mal war etwas passiert, wenn sie mit ihren hochseetüchtigen zehn Meter langen Schwergewichten über hohe Wogen »surften« oder bei starken Winden durch die gefährlichen Strömungen lenkten, ohne dabei auch nur eine Silbe zu verlieren. Viele Sommer haben wir auf Helgoland verbracht. Bei strahlender Bläue, mit der keine andere Nordseeinsel konkurrieren kann, gab es für uns nichts Schöneres, als mit der »Börte« von gesündestem Reizklima umweht in den Tag zu starten, und abends, wenn die Sonne am Rande von Kitsch und Kunst glühende Bilder an den Himmel malte, mit der Börte wieder auf die Insel zu fahren. Schiet , wenn man die letzte verpasste! Sie legte gegen neun Uhr ab. Da blieb dann nur das private Wassertaxi, ein teurer Spaß. Abenteuer versprachen Wolkenbrüche. Unter einer blickdichten großen Plastikplane, die in Windeseile über die Köpfe sauste, rückte man unter dem prasselnden Regen zusammen. Klaustrophobisch Veranlagte gerieten da durchaus in Panik. Seekranke wollten aussteigen! Mitten auf der Nordsee! Die meisten Gäste aber juchzten auf, ist doch eine Seefahrt lustig!
    Im Zeichen einer Touristikbranche, die jede Tilgung von Traditionen als Erfolg verkauft, wechselte man Helgolands Alleinstellungsmerkmal gegen geschlossene »Komfortschiffe« aus, was Stammgäste mit

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