Lesereise Nordfriesische Inseln
Schlei stammt, kategorisch ab. Desgleichen Präpositionsmenüs nach dem Motto: Angeldorsch an, auf, hinter, neben, zwischen … Schnickschnack ist nicht Matthiesens Fall. Genau das zieht Gäste von der ganzen Insel an. Viele kommen mit dem Fahrrad zum »Kapitänsfrühstück« aus Räucherlachs, Aalfilet, Matjes und Rührei mit Krabben. Und strampeln hinterher ihre Kalorien wieder ab. Matthiesens Portionen sind reichlich, die Preise moderat. Das gilt auch für seine »Miesmuscheln in Weinsud« oder die »Original Hörnumer Fischsuppe«. Zum Abendessen nach einem Strandtag ein Gedicht! Dazu trinkt man Flens. Natürlich blond.
Handfest und reell – das mögen auch Stars. Unlängst kreuzte der Kabarettist Dieter Hildebrandt (»Nie wieder achtzig«!) bei Fisch Matthiesen auf. Günter Netzer kehrt immer mal wieder ein. Gelegentlich auch Vertreter der sogenannten Bundesregierung, getarnt in Shorts. Bitte zwei »Linie« oder »Jubi«! Und zum Nachschlag noch einen Heinz Ehrhardt – Prost!
Das Meer ist weit, das Meer ist blau,
im Wasser schwimmt ein Kabeljau.
Da kömmt ein Hai von ungefähr,
ich glaub von links, ich weiß nicht mehr,
verschluckt den Fisch mit Haut und Haar,
das ist zwar traurig, aber wahr.
Das Meer ist weit, das Meer ist blau,
im Wasser schwimmt kein Kabeljau.
Sandpyramiden und Sandplateaus
In der Sahara von Sylt
Schon bei zartestem Wind zerstoben die Sandfahnen von ihren Kämmen wie kristallfeiner Neuschnee von Alpengipfeln. Ein sanftes Antippen mit dem Finger löst Sandlawinen aus – größere und kleinere, die je nach Steillage abwärtsrutschen und rieseln. Lautlos. Es kann aber auch sein, dass der Sand von einem Strandhaferhorst sanft anlandend aufgefangen wird. Brisen bereits bringen die fadendünnen, meist eingerollten grasgrünen Blätter zum Rascheln und Rauschen, indem sie im Takt der Luftbewegungen hin- und herschwingen und mit ihren gebeugten Spitzen über den Sand streichen. Mit dem Wellenschlag des Meeres im Hintergrund ertönt dann in den Dünen eine ganz eigentümliche Sinfonie. »Weißdünen« sind es, die in der ersten Reihe stehen. Von der Hörnum Odde im Süden bis zum Lister Ellenbogen im Norden zieht sich ihre grandiose Sandkette an der Westküste von Sylt entlang.
Die erhabenen stillen Naturschönheiten verdanken wir dem unermüdlichen Wirken von Strandweizen und Binsenquecke – jenen Sandpflanzen, die sich auf feuchten Strandwällen niederlassen und alle andriftenden Sandkörner auffangen, bis sich diese höher und höher zu Kuppeln und Kegeln in Luv und Lee aufhäufen. Sandpflanzen führen ein bescheidenes Dasein, als Nahrungsquelle genügen ihnen Seegrasüberbleibsel, spärlichste Tangreste oder Muschelkalk. »Muschelkalk« – so hatte Ringelnatz seine Frau getauft!
Die jüngsten Sylter Dünen sind dreitausend Jahre alt, die Weisen unter den Sandbergen, vermuten Geologen, haben ein bald dreifaches Alter erreicht. Unheilvolles wähnten die ersten Syltreisenden über den verlassenen grünbraunen Dünentälern, die da Möskendeel oder Niweberkul hießen. »Durch die säuselnden Halme des Strandhafers springt flüchtigen Laufes der Hase, die Möwe umkreist die spitzen Kegel unter klagendem Rufe, während die Lachmöwe wie ein Geist den fremden Wanderer mit spöttischem Gekicher von Hügel zu Hügel, von Thal zu Thal verfolgt«, schildert 1850 ein Chronist. Ockergelb in gleißendem Sonnenlicht oder beschattet von grollendem Donnergewölk nahmen später Hinrich Wrage und Hans Peter Feddersen das Sylter Sandbergland wahr und bannten es auf die Leinwand. Traumhafte Gemälde der beiden nordfriesischen Malerfreunde hängen in der Kunsthalle Kiel und im Schloss Gottorf aus. Traumhafte Preise erzielen ihre Dünenköpfe und Dünenschluchten auf Kunstauktionen. 1887 war Theodor Storm in den Sylter Dünen unterwegs, fand er in der »Dünenwildnis« die Schauplätze für seine »Sylter Novelle«. Stichwortartig hielt er Szenen fest: »Mondlicht in den Dünen. Wut, Groll, Leidenschaft …«, doch der Sagensammler starb, bevor er seine düstere Liebesgeschichte um die Tochter eines Sylter Landvogts ausfeilen konnte, die Zeilen blieben Fragment. »… Brautnacht in den Dünen. Das Meer. Er wirft sich vor ihr nieder. Sie verlangt, dass er ihr verspricht, nie wiederzukommen …«
Die Sylter Dünen sind bis zu fünfunddreißig Meter hoch. Historische Beschreibungen sehen in ihnen »erblichene Träume aus einer alten Zeit«. Oft tauchen Vergleiche mit Gipfeln und Gletschern in den Alpen
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