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Lesereise Nordseekueste

Lesereise Nordseekueste

Titel: Lesereise Nordseekueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Stelljes
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er geheiratet? Hat er Kinder bekommen? Taucht der Familienname vielleicht sogar im aktuellen Telefonbuch auf? Das Melderegister von Nebraska verzeichnet unter dem Namen »Schroeder« immerhin fünftausenddreihunderteinundneunzig Einträge – gut möglich, dass darunter auch einige Nachfahren von Johann Diedrich Schröder sind, mit dem unsere Geschichte begann. Er wurde übrigens nicht Farmer, wie so viele andere, sondern »Cowboy Preacher« – Pfarrer. Und er wird Gott gedankt haben, dass seinem Schiff, der »Donau«, nicht das gleiche Schicksal widerfuhr wie der »Cimbria«.
    Deren Geschichte nimmt ihren Anfang in Hamburg, dem zweitgrößten deutschen Auswandererhafen. Dort startet das über hundert Meter lange Schiff im Januar 1883 zu einer Linienfahrt nach New York. An Bord einundneunzig Mann Besatzung und rund vierhundert Passagiere, überwiegend Auswanderer aus dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Russland. Die liegen bereits in ihren Kojen, als in Höhe von Cuxhaven dichter Nebel aufzieht, nichts Ungewöhnliches in dieser Gegend. Kapitän Julius Hansen, ein Mann mit Erfahrung und einem Bart, der jedem Seebären zur Ehre gereichen würde, drosselt das Tempo. Langsam schiebt sich das Schiff an der Kette der Ostfriesischen Inseln vorbei. Es ist bereits zwei Stunden nach Mitternacht, da taucht nordwestlich von Borkum plötzlich wie aus dem Nichts ein grünes Licht auf: die »Sultan«, ein englischer Kohledampfer. Die Umrisse der »Sultan« wachsen binnen Sekunden, dann bohrt sich ihr scharfer Bug krachend in die Backbord-Seite der »Cimbria«. Kurz nur sind die beiden Schiffe ineinander verkeilt, dann löst sich die »Sultan« wieder und hinterlässt ein riesiges Leck, durch das sich das Wasser zischend und gurgelnd seinen Weg ins Innere der »Cimbria« sucht. Schon nach wenigen Minuten neigt sich der stählerne Koloss zur Seite, die Auswanderer auf dem Zwischendeck suchen verzweifelt nach Halt. Gut eine Viertelstunde nach der Kollision, nachts gegen halb drei, ragen nur noch zwei Masten aus dem Wasser, das hier nicht allzu tief ist. Die Wenigen, die einen Platz in einem der überfüllten Rettungsboote ergattern konnten, müssen mit ansehen, wie um sie herum ein Mensch nach dem anderen versinkt. Vierhundertsiebenunddreißig Menschen lassen ihr Leben in der eisigen Nordsee, unter ihnen auch Kapitän Hansen. Es ist bis heute die größte deutsche Schiffskatastrophe in Friedenszeiten. In einem maritimen Museum, das 2013 im Hafen von Cuxhaven eröffnet werden soll, wird eine Tasse zu sehen sein, die mit der »Cimbria« untergegangen ist und von Tauchern geborgen wurde. Sie ist aus Porzellan, innen mit Goldrand, außen blassrosa, mit einem Maiglöckchenblatt, auf dem steht: »Remember me«.

Das Bilderbuch-Ostfriesland
Die Krummhörn zwischen Emden und Greetsiel
    Die Frage, wo Ostfriesland am ostfriesischsten ist, erheitert Ludger Kalkhoff. Und der Geschäftsführer der Krummhörn Touristik GmbH ist klug genug, keine Antwort zu geben. Vielleicht weil er weiß, dass es in der Krummhörn auf vergleichsweise kleinem Raum ganz viele Dinge gibt, die als ganz besonders ostfriesisch gelten. Vielleicht aber auch, weil er es sich mit niemandem außerhalb der Krummhörn verscherzen will. Also hält er sich lieber zurück. Eigentlich muss er ja auch nicht viel sagen. Höchstens mal einen Satz wie: »Wenn Sie hier mit dem Fahrrad durch die Gegend fahren, fahren Sie durch ein Bilderbuch.« Es ist eine Landschaft, aus der Windkrafträder und kantige Kirchtürme emporragen. Mit Dörfern dazwischen, die Rysum oder Pilsum heißen und die, auch wenn Kalkhoff das nicht gern so hoch hängt, voller Superlative stecken. Rysum zum Beispiel: die älteste noch bespielbare Orgel Europas. Oder Campen: der höchste Leuchtturm Deutschlands. Oder Freepsum: der tiefste Punkt hinter den niedersächsischen Deichen, immerhin 2,3 Meter unter Normalnull. Und natürlich Upleward: der weltweit erste Trockenstrand. Auch wenn sich das jetzt nach einem Ostfriesenwitz anhört.
    Also erzählt Kalkhoff noch einmal die Geschichte, die er schon so oft erzählt hat. Wie er eines Tages mit Robert Sandker, dem ehemaligen Campingplatzbesitzer in Upleward, auf dem Deich stand und aufs Wattenmeer hinausschaute. Und sie gemeinsam grübelten, wie es denn wäre, wenn sie »ein bisschen Sand hinkippen würden«, nicht auf der Wasserseite des Deiches – was sie schon häufiger gemacht hatten, aber da hat sich das Meer den Sand immer gleich geholt –, sondern auf

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