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Lesereise Nordseekueste

Lesereise Nordseekueste

Titel: Lesereise Nordseekueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Stelljes
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richtig was los. Inge Ysker ist froh darüber. Spricht man allerdings länger mit ihr (die Kameras sind dann meist schon weg), erfährt man, dass sie auch ein bisschen traurig darüber ist, wie sich ihr Greetsiel entwickelt. Wenn ein Greetsieler sein Haus verkauft, sagt sie, dann kann es passieren, dass ein paar Tage später ein Werbeschild davor steht und Dinge angeboten werden, die mit Greetsiel nicht mehr viel zu tun haben. »Jeder meint, er kann hier das schnelle Geld machen. Jeder benutzt Greetsiel. Nur Greetsiel zu erhalten, da denkt keiner dran.« Das macht sie unruhig, sagt Inge Ysker.
    Nicht auszudenken, wenn dann auch noch die Fischer weggehen. Angedroht haben sie es ja bereits. Gerold Conradi zum Beispiel, der Kapitän der » GRE 24«. Ein Stahlschiff, blauer Rumpf, gelbe Masten, gut achtzehn Meter lang, mit Radar, Internet, GPS -Navigation und einer Dreihundert- PS -Maschine. Conradi fischt auf der Ems, auf der Elbe, vor Sylt. Ja, es stimmt, was die Leute erzählen: Die Krabben werden über die Niederlande nach Marokko gebracht und dort gepult. Und kommen dann wieder zurück. Das war auch schon so, als die Leute das Wort Globalisierung noch gar nicht kannten. Und wenn die Krabbenpuler in Nordafrika das Zuckerfest am Ende des Ramadan feiern, dann liegt die Fischerei an der ostfriesischen Küste eine Woche lang still.
    Doch wenn es nur das wäre, Gerold Conradi würde vermutlich gar nichts sagen. Wenn dann allerdings noch ein Fangstopp dazukommt oder die Fangmengen begrenzt werden, wenn also Umsatz und Stimmung im Keller sind, dann denkt man unweigerlich auch über seine berufliche Zukunft nach. Und schließlich, als würde all das nicht reichen, planen die Behörden ja immer noch, die Ems zu vertiefen.
    »Die Baggerei ist schon ein schweres Los für uns, aber das Verklappen des Baggerguts in unseren Fanggebieten, das ist der größte Hammer.« Deshalb haben die Fischer schon vor Jahren laut darüber nachgedacht, Greetsiel zu verlassen, rüber nach Hooksiel nördlich von Wilhelmshaven. Aber das macht man nicht mal eben so.
    Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, noch sind die Bagger nicht da. Die Fischer von Greetsiel und Ditzum haben sich zusammengeschlossen und Hilke Looden zu ihrer Sprecherin gewählt, »weil die Männer ja fast immer draußen sind«. Die Loodens sind wie die Conradis eine alteingesessene Greetsieler Fischerfamilie. Hilke Looden und die Fischer von Greetsiel sind keine Hardliner. Sie wissen, dass auch die Leute, die bei VW oder im Hafen von Emden arbeiten, darunter Verwandte und Freunde, über die Runden kommen müssen. Und dass die Ems vertieft werden soll, damit auch die großen Autotransporter den Emder Hafen tideunabhängig erreichen. Aber sie wollen nicht, dass das Baggergut vor ihrer Haustür verklappt wird, in der »Kinderstube« der Krabben. Wenn schon, dann bitte an Land oder weit draußen.
    Hilke Looden und die Fischer von Greetsiel haben in den letzten Jahren viel gelernt: was eine Machbarkeitsstudie ist und was ein Planfeststellungsverfahren. Und sie haben viel erreicht. Jetzt wird nicht nur ausgerechnet, was es kostet, den Schlick »ortsnah« zu verklappen, sondern auch, was es kostet, wenn die Fischer dann weggehen und der Tourismus einbricht. Die ganze Krummhörn steht hinter ihnen, das wissen sie. Und ohne ein »romantisches Fischerdorf« wie Greetsiel bekäme auch das Bilderbuch von Ludger Kalkhoff Risse. So schön die Geschichte mit dem Trockenstrand auch ist – für manche Dinge gibt es eben einfach keinen Ersatz.

Gehätschelt und gejagt
Seehund und Silbermöwe – Symboltiere der Nordsee
    Es gibt Tiere, die mögen wir Menschen. Der Seehund ist so ein Tier. Er gehört zur Nordseeküste wie Ebbe und Flut und begegnet uns oft schon bei der Überfahrt zu einer der Ostfriesischen Inseln, auf einer Sandbank dösend oder in der Fahrrinne, wo er neugierig, wie er nun einmal ist, seinen Kopf zum Wasser hinausstreckt. Dann sind wir ganz entzückt: Diese Knopfaugen, diese Hundeschnauze – ist er nicht allerliebst? Vor allem der Nachwuchs, noch ganz tollpatschig und unbeholfen, weckt in uns den Beschützerinstinkt – und manchmal leider auch das Bedürfnis, ganz dicht ranzugehen. Glücklicherweise hat sich unter uns Menschen weitgehend herumgesprochen, dass man besser Abstand hält. Ganz aus der Nähe kann und darf man die Tiere nur in der Seehundstation in Norden-Norddeich beobachten. Dort landen Jungtiere, denen der Mensch zu dicht aufs Fell gerückt ist – sie

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