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Lesereise Nordseekueste

Lesereise Nordseekueste

Titel: Lesereise Nordseekueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Stelljes
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braucht so ein Seehund eigentlich nicht. Und natürlich seine Ruhe vor allzu neugierigen Touristen.

Mammutaufgabe
Deiche in den Zeiten des Klimawandels
    Den 9. November 2007 wird Uwe Scharmberg so schnell nicht vergessen. An diesem Tag schaffte es der Hafenwart des Jachtclubs Norden gerade noch so zu Fuß zum Vereinsheim am Ende der Promenade. Kurz darauf war das Haus schon von Wasser umgeben, Orkantief Tilo drückte es mit Macht ins Hafenbecken. Auf Fotos, die seine Frau Margarete an diesem Tag gemacht hat, sieht man, wie die Fluten gegen die Oberkante des Hafendeichs schwappen. Der Hafen selbst ist eine einzige Wasserfläche, bis hinüber zum Fähranleger Norderney. Noch schlimmer war es am 1. November 2006, bei der Allerheiligenflut, sagt Scharmberg. Da ist ihnen der ganze Keller abgesoffen; Kühltruhen, Weinflaschen, alles hinüber. Hüfthoch stand das Wasser. »Ich hätte so heulen können.« An solchen Tagen ist der Hauptdeich »schwarz von Menschen«, sagt Margarete Scharmberg. Dann heißt es wieder: Vorhang auf für die Katastrophentouristen. Wobei das Vereinsheim eigentlich die Logenplätze stellt. Durch die halbrunde gläserne Front genießt man einen herrlichen Blick auf den »Blanken Hans«, wie die schäumende See im Volksmund auch genannt wird. Nur dass man dann vielleicht eine Weile ausharren muss, weil der Rückweg abgeschnitten ist …
    Die Allerheiligenflut 2006 ist auch professionellen Deichschützern noch gut in Erinnerung. »Die hat voll in die Ems geblasen« und im Bereich Emden für die höchste je gemessene Flut gesorgt, sagt Johann Oldewurtel, Rendant der Deichacht Norden. Oldewurtel ist zuständig für dreiunddreißig Kilometer Hauptdeichlinie zwischen Leybucht und Neßmersiel. Kürzlich erst hat er sich wieder einen Schlips umgebunden und Presse- und Behördenvertreter bei der alljährlichen Frühjahrsschau über den Deich geführt. Tags darauf stand in der Lokalpresse auf Seite eins: »Kein Bedarf für Deicherhöhung«. So etwas beruhigt. Wen auch immer man in diesen Tagen an der Küste fragt, fast jeder sagt: »Die Deiche sind sicher.« Manch einer fügt noch ein »eigentlich« oder »an und für sich« hinzu und verrät so leichte Zweifel. So ganz genau weiß man es eben doch nicht.
    Aktuell hat er keine großen Sorgen und »überall ausreichend Höhe«, sagt Oldewurtel. Der Rendant weiß allerdings, dass andere Deiche, zum Beispiel die am östlichen Jadebusen oder im Bereich Emden, höher sein müssten, »einen Meter und mehr«. Oldewurtel weiß auch, dass der zähe Kleiboden, der den Sandkern des Deiches bedeckt, mancherorts ruhig ein bisschen dicker sein dürfte. »Wenn Wasser an den Sandkern kommt, ist der Kampf verloren«, sagt er, das wisse jeder, der mal eine Sandburg am Strand gebaut habe. Und noch etwas weiß Oldewurtel: dass man am Ende auch Glück braucht. Das haben die Menschen im Norderland seit 1825, seit dem letzten großen Deichdurchbruch. Wenn morgen allerdings ein paar Dinge zusammenkommen, »eine superstarke Sturmflut mit genau passender Windrichtung und vielleicht noch eine Fernwelle mit Springtide dazu«, dann, ja dann … Das wäre für den Deichschützer so etwas wie der Super- GAU .
    Fünfzehn Sturmfluten hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz ( NLWKN ) allein im Winter 2007/08 gezählt. »Ein stärker ansteigender Meeresspiegel als bisher und eine Zunahme von Stürmen und Sturmfluten sind als Folgen eines globalen Klimawandels wahrscheinlich«, heißt es in einem Behördenbericht. Das bedeutet für Niedersachsen: Höhere Deiche müssen her. Das Land hat den »Klimazuschlag« erhöht, auf fünfzig Zentimeter, fünfundzwanzig mehr als bisher. Dieser halbe Meter kommt obendrauf, die Deiche werden also zum Teil kräftig aufgestockt. Mindestens sechzig Millionen Euro wollen Land und Bund jährlich für den Küstenschutz zur Verfügung stellen. »Aber wir wissen gleichzeitig, dass sechshundert Millionen Euro für Baumaßnahmen benötigt werden, zu heutigen Kosten«, sagt Johann Oldewurtel. »Und die Zeit läuft, das müsste eigentlich ein bisschen flotter vonstatten gehen.«
    »Wir sind mittendrin im Klimawandel«, sagt auch Michael Schirmer, Klimafolgenforscher und Deichhauptmann aus Bremen. »Wenn Sie wollen, können Sie jetzt anfangen, Palmen auszupflanzen.« Schirmer empfiehlt Trachycarpus, eine Hanfpalme, die eigne sich für unsere Breiten. Mit solchen Sätzen sichert er sich die Aufmerksamkeit der Zuhörer bei

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