Lesereise Nordseekueste
ja vielleicht sogar das Ziel eines Anschlags war – es bleibt »ein bitterer Beigeschmack«, sagt Grübmeyer. Viel lieber spricht man in Papenburg über die »Homeric« und all die anderen Kreuzfahrtschiffe, die seit 1986 hier gebaut wurden.
Irgendwann allerdings stößt jede Erfolgsgeschichte an ihre Grenzen. Es sind nicht nur die Aktivitäten der Japaner, Koreaner und Chinesen, die dem Firmenchef schon mal den Schlaf rauben. Nein, er muss sich auch immer wieder mit Protesten von Umweltschützern auseinandersetzen. Um die Riesenpötte in die Nordsee zu kriegen, erfolgten zahlreiche Eingriffe in die Natur. Immer größer wurden die Schiffe, immer tiefer die Ems. Als das Ausbaggern nicht mehr reichte, wurde bei Gandersum ein großes Sperrwerk errichtet, das nur an ganz wenigen Tagen im Jahr wirklich gebraucht wird: bei Sturmfluten, um die Naturgewalten zu bändigen, und bei Schiffsüberführungen, damit auch Luxusliner mit einem Tiefgang von bis zu achteinhalb Metern noch genug Wasser unterm Kiel haben. Und die Ems? Sie verschlickt und muss auf Kosten des Steuerzahlers immer wieder ausgebaggert werden. Wenn jetzt der Fluss auch noch im Sommer gestaut wird, um Schiffe überführen zu können, dann verändert sich sein Sauerstoffgehalt, dann ist er so gut wie tot, sagen Umweltschützer. Wäre es da nicht viel besser, die Meyer Werft würde endlich umziehen, an die Küste, ans tiefe Wasser?
In Papenburg wollen sie davon nicht viel hören. Die Stadt lebt schließlich von der Werft. Und Meyer will bleiben. Also sitzen sie zusammen, die Vertreter der Werft, Landkreise, Ministerien und Umweltverbände. Immer wieder. Ringen um Stauzeiten und Vogelschutz. Suchen Alternativen. Und denken ernsthaft über einen Kanal nach, parallel zur Ems, von Papenburg bis Leer, zwanzig Kilometer lang und hundert Meter breit. Nicht für alle Umweltschützer der Weisheit letzter Schluss, für manch einen noch nicht einmal eine »Notlösung«. Für andere immerhin der Versuch, zu vereinbaren, was hier nur schwer vereinbar ist: Ökologie und Ökonomie. Weil man doch beides will: dass die Arbeitsplätze im Emsland bleiben. Und die Ems sich erholt. Doch auch dieser Plan wurde inzwischen zurückgestellt. Zu teuer, sagt die Landesregierung. Und lässt ein neues Gutachten erstellen.
Schwarzer Riese
Der Leuchtturm von Dorum
Es ist, zugegeben, ein böser Verdacht. Doch es scheint, als würde das Wurster Land in Reiseführern systematisch totgeschwiegen. Wo immer man auch blättert – nicht ein Sterbenswörtchen über die gesamte Nordseeküste zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Sicher, das Wurster Land ist unspektakulärer als die ostfriesische Nordseeküste. Ruhiger und beschaulicher. Ohne große Badestrände. Mit Salzwiesen und ganz viel Watt. Mit kleinen Häfen, in denen die Kutter bei Ebbe aufliegen. Und mit der einzigen halbwegs ernst zu nehmenden Erhebung weit und breit: dem Leuchtturm Obereversand in Dorum-Neufeld. Er ist so etwas wie das Wahrzeichen des Wurster Landes und unter den Aussichtspunkten an der Nordsee einer der schönsten. Und ein maritimes Kulturdenkmal dazu.
Wir stehen auf der Galerie in dreißig Metern Höhe, lassen uns ein laues Lüftchen um die Nase wehen und gucken. Links am Horizont die Ladekräne des Containerterminals in Bremerhaven, rechts Cuxhaven und der kantige Turm der Insel Neuwerk. Und ansonsten unverschämt viel Grün und Grau. Aus dem Grün, dem fruchtbaren Land hinter dem Deich, ragen ein paar Kirchen und ganz viele Windräder empor. Aus dem Grau, dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, erheben sich einige Leuchttürme und ganz viele Besen, die sogenannten »Pricken« – sie weisen den Fischern den Weg durch die Priele, natürliche Wasserläufe im Nordseewatt. Es ist Ebbe. Unten, am Fuße des Leuchtturms, waten Kinder durchs Watt. Und jauchzen, weil der Schlick immer so schön durch die Zehen quillt und dabei so unanständige Geräusche macht.
Der Turm steht genau auf der Grenze zwischen Grün und Grau, am Rande des Deichvorlands. Und sieht erst mal gar nicht aus wie ein Leuchtturm. Von Weitem erinnert er an eine Rakete mit Startrampe, eine Art Cape Canaveral des Wurster Landes. Außerdem ist er nicht, wie es sich für einen anständigen Leuchtturm gehört, rund und rot-weiß gestreift, sondern schwarz und viereckig. Und steht noch dazu auf vier Pfeilern. So konnte man ihn besser sehen, wenn es diesig oder nebelig war, sagt Heike Grotheer vom Leuchtturmsverein zu Beginn einer kleinen Führung.
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