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Lesereise Nordseekueste

Lesereise Nordseekueste

Titel: Lesereise Nordseekueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Stelljes
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Bernard Meyer.« Ein Mann, der rein äußerlich zum Kapitalisten nicht taugt, der Fahrrad fährt, Jeans trägt und mit jedem schnackt . Der die Worte sorgsam wägt und doch immer wieder aus dem Bauch heraus entscheidet. Bescheiden und bodenständig ist Meyer, sagen die Leute. Selbst Betriebsräte und Gewerkschafter finden lobende Worte für den Alleininhaber, der den Familienbetrieb in sechster Generation führt.
    Fragt man Bernard Meyer, was das Geheimnis des Erfolgs ist, dann sagt er: die Menschen. Die sind hier anders als im Rest der Republik. Tief katholisch und hoch motiviert. Es sind Menschen wie Theo Hanneken. Fünfzig Jahre hat er auf der Werft gearbeitet. Als er anfing, wurden die Schiffe noch genietet, in der Nähe des Stadtzentrums, wenn man die paar Häuser rings um den Papenburger Hauptkanal mal so nennen will. Hanneken hat noch miterlebt, wie die Schiffe quer vom Stapel liefen, bis sie so groß wurden, dass sie nicht mehr durch eine Brückenöffnung passten. Da erst, 1975, zog die Werft auf die grüne Wiese. Hanneken ist heute Vorsitzender des Seniorenvereins der Meyer Werft. So wie er halten viele der Werft die Treue. Manchmal macht auch noch der Enkel eine Ausbildung bei Meyer – eine Bindung über Generationen.
    Vielleicht muss man aber auch viel weiter ausholen, um zu verstehen, warum die Menschen so fasziniert sind von der Meyer’schen Erfolgsgeschichte. Denn noch vor vier Jahrhunderten gab es in dieser Gegend nichts als Moor. Und eine verfallene Wasserburg. Die kaufte sich ein Drost namens Dietrich von Velen, damals eine Art höherer Verwaltungsbeamter. Eines guten Tages, es muss während des Dreißigjährigen Krieges gewesen sein, hatte der Drost die Nase voll vom Anblick der weiten, trostlosen Moorflächen. Also schickte er seine Gesandten hinaus ins Land. Überall, selbst im benachbarten Holland, nagelten sie Werbebriefe an Kirchentüren. Denen, die helfen würden, das wüste Moor an der Ems nach holländischem Vorbild urbar zu machen, wurde ein Streifen Land und die Befreiung vom Kriegsdienst versprochen. 1639 folgten die ersten Siedler diesem Ruf. Sie hausten in armseligen Hütten, hoben Kanäle aus, die das Stadtbild von Papenburg bis heute bestimmen, und entfernten Torfsode um Torfsode, billiges Brennmaterial für die Menschen in Leer und Emden. Die Papenburger kamen gerade so über die Runden, da verbot der Fürst von Ostfriesland 1719 die Einfuhr des Emsländer Torfes – und nötigte die Papenburger geradezu, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten neu auszurichten. Fortan zimmerten sie nicht mehr Torfkähne, sondern Barken und Briggs, ja sogar Großsegler. Mit Erfolg: Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Papenburg über zwanzig Werften. Die Meyer’sche, gegründet 1795, war eine davon.
    Doch dann begann das große Werftensterben. Dampfschiffe verdrängten die Segler. Und nur ein Papenburger Werftbesitzer erkannte die Zeichen der Zeit und sattelte um, von Holz- auf Eisenschiffbau: Joseph Lambert Meyer. Übrigens gegen den Widerstand seines Vaters, der nur meinte: »Eisen schwimmt nicht!« 1874 lief die »Triton« vom Stapel, und siehe da: Der eiserne Raddampfer versank nicht im Papenburger Kanal, das archimedische Prinzip galt selbst im Emsland. Die »Triton« war das erste von vielen Schiffen, die Geschichte geschrieben haben. Besonders schillernd ist die der »Graf Goetzen«. Der Passagierdampfer wurde 1913 auf Anordnung Kaiser Wilhelms II. gebaut, in seine Einzelteile zerlegt und in fünftausend Kisten, jede zwei mal zwei mal zwei Meter groß, nach Afrika transportiert. Von der Hafenstadt Daressalam ging es per Bahn quer durch Ostafrika bis zum Tanganjikasee, damals deutsches Kolonialgebiet. Dort wurde der Dampfer wieder zusammengepuzzelt. Einmal wurde er versenkt, einmal havarierte er bei einem Sturm, beide Male wurde er wieder gehoben. Und machte schließlich 1951 Filmkarriere: als Kanonenboot »Luisa« in dem Klassiker »African Queen« mit Katherine Hepburn und Humphrey Bogart. Heute tuckert er unter dem Namen »Liemba« über den Tanganjikasee.
    Auch die »Estonia«, jenes Unglücksschiff, das 1994 in der Ostsee sank und achthundertzweiundfünfzig Menschen mit in den Tod riss, wurde in der Meyer Werft gebaut. Bis heute sind die Ursachen der Katastrophe nicht eindeutig geklärt. Die Bugklappe hielt nicht, so viel steht fest. Selbst wenn man weiß, dass das Schiff von einer anderen Werft umgebaut und an diesem 28. September sogar heimlich für einen Militärtransport genutzt wurde,

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