Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Titel: Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
Vom Netzwerk:
die sich hinter dem Haus des Malers Claude Monet erstrecken, liegen fast verlassen. Erst langsam tauchen von Tau benetzte Blüten und üppige Büsche aus dem Morgennebel: Narzissen und Tulpen, Azaleen und Rhododendren, Engelstrompeten, Kapuzinerkresse und Margariten, Rosen und Rizinusbäume. Die Wege säumen kleine Hecken aus Rosmarin, in eine Wiese sind Apfelbäume getupft.
    Eine Unterführung sperrt eine Straße aus, die zu Zeiten des Malers noch nicht da war. Dann öffnet sich der Blick auf den Wassergarten, den ein Seitenarm des Flusses Epte bildet: Ein Teich voller Seerosen, gerahmt von Lilien, Schilf und Weiden, überspannt von einer zierlich geschwungenen grünen Brücke – und viele Male gemalt vom Hausherrn. Die Originale hängen in den großen Museen der Welt, das Motiv ist nahezu unverändert: liebevoll gepflegt für die vielen tausend Besucher, die sich für die Gärten mindestens so interessieren wie für die Gemälde, die sie inspiriert haben.
    Westlich von Paris erstreckt sich die Landschaft, die der Menschheit Camembert, Cidre und Calvados und der Kunst eine ihrer wichtigsten Entwicklungen der Moderne schenkte. Ihre teils idyllisch gepflegten, teils ganz unverfälscht gebliebenen Landschaften aus Weiden, Apfelhainen, Stränden und Steilküste machen neben den besonderen Lichtverhältnissen jede Reise in die Normandie auch zu einer in die Welt des Impressionismus – mit Giverny in ihrem Zentrum. Auch wenn die Normandie hier gerade erst beginnt.
    Noch immer ist das Dorf am rechten Ufer der Seine klein. Hätte es sich Monet nicht zur Heimat erkoren, wäre es allerdings trotz der hübschen Kirche und des historischen Zentrums, trotz der schmalen Gassen und der schönen, von Blumen berankten Fassaden nur eines wie tausend andere in Frankreich.
    Claude Monet war kein gebürtiger Normanne. Erst als er fünf Jahre alt war, übersiedelten seine Eltern nach Le Havre. Von nun an hatte der 1840 in der Hauptstadt geborene Knabe das Meer ständig im Blick. Wiewohl er während seiner Kindheitsjahre vor allem Porträts malte – Verwandte saßen geduldig Modell, doch er skizzierte auch Seeleute –, wurde die Landschaft der Normandie das Material, aus dem er ein Künstlerleben lang schöpfen sollte. Als er den aus Honfleur stammenden, sechzehn Jahre älteren Maler Eugène Boudin kennenlernte, nahm eine revolutionäre Wende der Kunst ihren Ausgang. Die beiden bauten ihre Staffeleien unter freiem Himmel auf und begannen, das Wechselspiel zwischen Farben, Licht und Landschaft zu ergründen.
    Nach Studienjahren in Paris und einem freiwilligen Einsatz in Algerien kehrte der junge Monet nach Le Havre zurück, wo er mit dem niederländischen Kollegen Johan Barthold Jongkind arbeitete. Zurück in Paris, lernte er die Maler Pierre-Auguste Renoir und Alfred Sisley kennen, mit denen er sein Leben lang befreundet blieb. Lange pendelte Monet zwischen Stadt und Land. Als Landschaftsmaler arbeitete er jenseits der Stadtgrenzen, doch verkauft wurde in Paris – und auch die großen Gruppenausstellungen der Impressionisten sowie seine späteren Einzelausstellungen fanden in der Kapitale statt.
    Schließlich suchte der Künstler ein dauerhaftes Heim auf dem Land. Ein Haus in Poissy, das er für ein Jahr gemietet hatte, gefiel ihm überhaupt nicht. In einem ruhigen Dorf im Eure-Tal, gerade sechzig Kilometer von Paris entfernt, fand er dann, was ihm vorschwebte. 1883 zog der nun dreiundvierzigjährige Maler mit seinen zwei Söhnen – seine erste Frau Camille war vier Jahre zuvor gestorben –, seiner späteren Frau Alice und deren sechs Kindern zunächst als Mieter in das Haus, das seinerzeit »Le Pressoir« hieß. Sieben Jahre später kaufte er das Anwesen, in dem er bis zu seinem Tod im Jahr 1926 leben sollte. Viele berühmte Kollegen – darunter Pierre-Auguste Renoir und Paul Cézanne, Paul Signac und Camille Pissarro – besuchten ihn; später siedelte sich eine ganze Kolonie amerikanischer Kollegen in der Nachbarschaft an.
    Kaum ein Tag verging, an dem der disziplinierte Monet, stets ordentlich gekleidet im dreiteiligen Anzug, nicht die Farben auf seiner Palette mischte, um die immer anderen Lichtverhältnisse in seinem Garten festzuhalten – bis der Himmel ganz aus seinen Bildern verschwunden war und nur noch als reflektierte Ahnung im Teich erschien. Da war die Welt der Kunst längst revolutioniert, die Hungerjahre der rebellischen Freiluft-Maler, zu denen auch Monet gehört hatte, nur mehr ferne Erinnerung, und die

Weitere Kostenlose Bücher