Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados
Kritiker, die ihn anfangs verspottet hatten, verschämt verstummt. Jetzt konnte der Maler es sich sogar leisten, dem Dorf, dessen dreihundert Bewohner ihn hartnäckig als Außenseiter behandelten, die Pflastersteine für die beiden Hauptstraßen zu schenken – allerdings nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern vor allem, weil ihm der Staub im Sommer gewaltig auf die Nerven ging.
Wiewohl er viel reiste, ins Ausland und innerhalb der Normandie, galt Giverny seine ganze Liebe. »Außer zur Malerei und zur Gartenarbeit bin ich zu nichts nutze«, behauptete er einmal kokett. In Giverny verbanden sich beide Leidenschaften zur Kunst, geschaffen für die Ewigkeit. Zugleich – und trotz der über lange Zeit undefinierten Beziehung zu Alice – führte er ein geordnetes, großbürgerliches Leben. Regelmäßig versammelte sich die Familie zu ausgedehnten Mahlzeiten, bei denen auf pünktliches Erscheinen Wert gelegt wurde. Im Jahr 1900 leistete Monet sich ein Auto mit Chauffeur, und gerne fuhr er mit Alice nach Paris, um ins Theater zu gehen.
Monets Sohn Michel vermachte das Anwesen 1966 der Akademie der Schönen Künste, die die verbliebenen Bilder ins Museum schaffte und dann mit der Restaurierung von Haus und Gärten begann. Heute sehen Haus- und Wassergarten wieder so aus, wie Claude Monet sie bepflanzte – eine Sinfonie aus bunt blühenden Stauden, exotischen Bäumen, Rhododendren und Azaleen. Ein Gärtnerteam sorgt dafür, dass die Besucher den Seerosenteich auf den ersten Blick erkennen. Kaum etwas hat sich verändert, seit Claude Monet hier einige der wichtigsten Gemälde des Impressionismus malte. Liegt die Wassertemperatur des Sees einen Monat lang bei mindestens sechzehn Grad, erblühen die Seerosen. Der Anblick ist ein Fest nicht nur für Fans des Malers, sondern auch für Gartenliebhaber. Eine Quelle der Inspiration ist er beiden. Denn bis heute wird in Giverny gemalt – wiewohl man keine Angst vor überlebensgroßen Schatten haben darf, will man in der Heimat des Impressionismus kreativ werden.
Im Souvenirgeschäft, das in einem der Ateliers Monets (die benötigte er für Regentage) untergebracht ist, herrscht im Sommer tagtäglich Ausnahmezustand. Schirme, T-Shirts, Kalender, Poster und Mousepads gehen zu Dutzenden über die Theke, fast alle ziert die japanische Brücke, die den Seerosenteich im Garten überspannt. Im Frühling und im Herbst ist der Andrang vergleichsweise überschaubar. Langsam wandern die Besucher durch das rosafarbene Haus mit den grünen Fensterläden, das große Sonnenblumen bewachen. Trotz des Ansturms ist dies auch ein Ort zum Träumen geblieben. Farbenfrohe Möbel, ein gelber Esstisch für die große Familie und die Gemälde an den Wänden erzählen von einem geselligen, produktiven und erfüllten Leben. Die Fenster blicken auf den magischen Garten.
Am Ende der Küste beginnt das Paradies
Auf der Halbinsel La Hague dringt der Wind durch Türen und Fenster
Auf der Wiese schräg gegenüber von Jacques Préverts Haus leckt eine schwarz-weiße Kuh ihr Kälbchen ab. Wenige Minuten zuvor erst wurde es geboren. In Préverts Garten liegen Äpfel zwischen eisernen Gartenmöbeln auf dem Boden. Hortensien, Rhododendren und Riesenrhabarber wuchern um die Wette. Rosen ranken die Fassaden empor und rahmen weiße Fensterläden. Eine hohe Zeder spendet Schatten – mehr, als man sich an den meisten Tagen in der Normandie wünscht. Dennoch ist dies ein Anwesen, das jeden zum Träumen bringt, der je darüber nachdachte, den heimischen Graubrot-Alltag für immer gegen französisches savoir-vivre einzutauschen. Auch wenn es manchmal regnet und häufig heftig stürmt.
Der in einem Pariser Vorort geborene Lyriker und Drehbuchautor Jacques Prévert war schon siebzig Jahre alt, als er und seine Frau Janine im Jahr 1970 das Haus aus grauem Bruchstein kauften und ihren Wohnsitz von Antibes am Mittelmeer in den entlegensten Winkel der Normandie verlegten. Seit den dreißiger Jahren kannten sie das Cap de la Hague, die Spitze der Halbinsel Cotentin im äußersten Nordwesten der Region. Das ganze Jahr über zieht und zerrt der Wind an diesem Land, das hier nicht von grünhügeliger Lieblichkeit ist, sondern ungezähmt und schroff. Das Cap selbst gehört wegen der Wucht des Gezeitenstroms Raz Blanchard zu den gefährlichsten Schiffsgründen der Welt. Nach dem dramatischen Untergang des Transatlantikdampfers »Paris« im Jahr 1823 begann man mit dem Bau des Leuchtturms in Auderville. Dennoch besitzt die
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