Lesereise Rom
anverwandelt ist. Solch ein Gefährt heißt im Deutschen Moped, im Italienischen motorino . Zwischen beiden ist ein Unterschied, so groß wie der zwischen deutscher und italienischer Lebensart. Es kommt auf den Gebrauch an, den man davon macht, und auf die Menge.
In Italien gibt es rund sechs Millionen motorini, weit mehr als in anderen Ländern, und die Hauptstadt Rom ist mit vierhundertdreißigtausend Einheiten auch die Hauptstadt der Zentauren. Dies verwundert nicht, denn in Rom ist das Wetter gut, die öffentlichen Verkehrsmittel sind völlig überlastet, und man kommt im ewigen Stau mit dem motorino viel rascher voran als mit jedem anderen Fahrzeug. Genutzt wird es deshalb nicht nur von Jugendlichen, die das Ding extrem cool finden, sondern auch von Damen im Kostüm und Herren im Anzug.
Mopedfahren ist in Italien ein Massenphänomen, und Mopedfahrer nehmen sich unverbürgte Vorrechte heraus. Rom etwa scheint seine Zentauren zu besonderer Wildheit anzustacheln. Bei einem Test des Forschungsinstituts Censis gaben achtundfünfzig Prozent der befragten Motorino -Fahrer zu, auf dem Bürgersteig zu parken, sechsunddreißig Prozent nehmen trotz Verbots einen Beifahrer mit, und ein Viertel prescht unbesorgt auch in falscher Richtung durch Einbahnstraßen. Man hat’s ja gewusst.
Unverfrorenheit wird indes mit Unbill vergolten. Roms Straßen sind voller Löcher, immer wieder stürzt ein Mopedfahrer hinein und verletzt sich, mitunter tödlich, eine Serie von Ermittlungsverfahren sind deshalb anhängig. Außerdem sind motorini von Dieben bedroht, fast jeder dritte Eigner ist seines Vehikels schon einmal beraubt worden. Auf dreißigtausend wird allein in Rom die Zahl der geklauten Mopeds geschätzt, die von kriminellen Organisationen mit falschen Papieren neuerlich in den Handel gebracht worden sind.
Zudem kann es den Zentauren kaum behagen, dass sie nun von der Umwelt- und Denkmalschutzorganisation Italia Nostra auch noch als Umweltverschmutzer ersten Ranges angeprangert werden. Sie erzeugen nicht nur einen Lärm, der das Geräusch der Autos durchaus übertrifft. Ein einzelner, womöglich gar frisierter Mopedmotor kann in der Nacht ein ganzes Stadtviertel aus dem Schlaf werfen. Außerdem stößt ein normales motorino , so sagt der Umweltaktivist Giovanni Puccioni, heutzutage drei bis vier Mal soviel Kohlenmonoxyd und Kohlenwasserstoff aus wie ein Auto mit Katalysator, weil die Zwei-Takt-Motoren der Mopeds das Benzin schlechter verbrennen. Eine geplante neue Norm der EU geht den Umweltschützern noch nicht weit genug.
Der zuständige Industrieverband sieht das anders und weist ebenso wie Daniela Monteforte, die Sonderbeauftragte der Kommune Rom für Zweiradfahrzeuge, darauf hin, dass motorini in der Stadt ja ihre Ziele viel schneller erreichen als Autos und drum auch weniger lang Abgase ausstoßen. Rom hat ihnen Parkplätze gebaut, stopft die Löcher auf den Straßen, plant Fahrradwege und verbessert das Bus- und Bahn-Netz in der Hoffnung, damit jegliche Motorisierung eindämmen zu können. Francesco Rutelli, den grünen Bürgermeister, hat man schon lange nicht mehr auf seinem motorino gesehen, mit dem er früher durch die Gassen brauste.
Es gibt inzwischen ökologisch aufgeputzte motorini , etwa mit Vier-Takt-Motor, und ihre Anschaffung sollte nach Meinung der Organisation Italia Nostra staatlich gefördert werden. Denn dass die Zentauren in Italien aussterben könnten, glaubt auch der Umweltschützer Giovanni Puccioni nicht: »Die Leute werden immer weiter motorino fahren.«
Königin mit dreigezinktem Zepter
Annas schöne, schwere Arbeit in der »trattoria«
Anna mit der dreigezinkten Gabel in der Hand am Herd – o du herrliches Italien. »Schau her«, ruft Anna, hebt die Pfanne von der Flamme und schwenkt sie, dass die Speckstreifen im zischenden Fett umeinandertorkeln. »Schweinebacke muss das sein, an der Luft getrocknet, nicht geräuchert, und kein Bauchspeck.« Nur Schweinebacke kommt in Frage, die aus den Abruzzen, die Aldo am Morgen draußen in Moricone aus dem Weinkeller geholt hat. Und diese Schweinebacke wird hier nicht auf Vorrat geschnitten, sondern saftig heruntergesäbelt bei jeder Bestellung, die die Schwiegersöhne aus der Außenwelt in die Küchenhitze rufen.
Anna, gut gelaunt wie immer, ist dabei, die circa hundertsechzigtausendste Portion ihrer berühmten spaghetti alla carbonara zuzubereiten. Das Ei ist schon geschlagen, ein Ei aus dem eigenen Hühnerstall. Mit dem Sieb hebt sie die
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