Lesereise Tschechien
traditionell spürbar über dem durchschnittlichen Niveau. Was sie indes nicht daran hindert, immer wieder einmal mit einem Warnstreik oder mit Protesten kräftige Tariferhöhungen und Jahresboni durchzusetzen. »Wir sind keine deutsche Kolonie und erbitten keine Almosen«, sagt der örtliche Gewerkschafter Jaroslav Povsik.
Ansonsten aber nannte KOVO -Chef Středula den mittelböhmischen Bezirkshauptmann Peter Bendl schlicht dumm, weil dieser die Anschaffung eines Škoda Superb als Dienstwagen abgelehnt hatte mit der Begründung, das sei ja kein tschechisches Auto. Nichts als Verachtung hatte der Gewerkschaftsführer auch für Helmuth Schuster übrig, den Škoda-Personalchef, der 2005 entlassen wurde, nachdem er als Zentralfigur einer gigantischen Korruptionsaffäre im VW -Konzern aufgeflogen war. In Tschechien hatte der Fall nur kurze Zeit die Medien beschäftigt, als Nachfolger wurde der frühere Wirtschaftsminister Martin Jahn benannt, der inzwischen im VW -Konzern Karriere macht.
Škoda Auto ist eine der größten Erfolgsgeschichten auf dem Feld der Privatisierungen, die nach dem Ende des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa vorgenommen wurden. Der Kurs heißt Zuwachs, in günstigem Umfeld, auch in Zukunft. Viele tschechische Großfirmen haben schon in den vergangenen Jahren ihre Geschäfte regelmäßig ausgeweitet, und Škoda ist neben dem Energiekonzern ČEZ das Unternehmen, das dabei vorangeht.
Die Automobilindustrie ist dabei ein wichtiger Faktor, gerade auf diesem Sektor ist Tschechien zusammen mit der Slowakei zu einer Großmacht herangewachsen. In Nošovice in Nordmähren zog der koreanische Hyundai-Konzern eine Fertigung auf, seine Tochter Kia Motor Company eröffnete bei der siebzig Kilometer entfernten slowakischen Stadt Žilina eine brandneue Fabrik für die Produktion von Kleinwagen. Im ostböhmischen Kolín hat sich das französisch-japanische Konsortium Toyota-Peugeot-Renault angesiedelt, und am Rand der slowakischen Hauptstadt Bratislava eröffnete schon 1991 der VW -Konzern ein Zweigwerk, das sehr erfolgreich ist. Nicht weit davon entfernt, in Trnava, hat PSA Peugeot Citroën sich niedergelassen. Die amerikanische Fachzeitschrift Business Week prägte im Anklang an das Zentrum der amerikanischen Autoindustrie schon den Begriff »Detroit East«, hatte dabei allerdings zusätzlich auch neue Werke in Polen, Ungarn und Rumänien im Auge. Die Škoda-Führung war wegen des Booms zeitweise schon besorgt, es könnte zu einer Überhitzung kommen – und zu einem Facharbeitermangel sowie Engpässen bei den Zulieferern.
Und außerdem, die Globalisierung: Škoda fertigt heute nicht mehr nur in Tschechien, sondern auch in Bosnien, der Ukraine, Indien, Russland, Kasachstan und China. Im VW -Konzern ist die tschechische Tochter längst wie Audi ein guter Geldbringer, Seat ist abgehängt, und in der Aggregatefertigung von Mladá Boleslav wird Škoda inzwischen einen wachsenden Anteil seiner Motoren und Getriebe konzernweit an VW und seine Töchter los. Und darauf kann man, findet auch der Manager Pavel Vacek, durchaus ein wenig stolz sein. Doch fügt er an: »Auch die anderen sind gut.«
Das ganze Land ist stolz auf Škoda, man merkt es immer dann, wenn es etwas zu feiern gibt. Vor Weihnachten 2005, zum hundertsten Geburtstag, lud der Staatspräsident Václav Klaus auf die Prager Burg, und es spielte die Tschechische Philharmonie. Und im April 2011, als man die zwanzigjährige Zugehörigkeit zum VW -Konzern festlich beging, da gaben der Staatspräsident und der Ministerpräsident dem Škoda- und dem VW -Chef die Ehre in Mladá Boleslav. Man eröffnete die Zeremonie mit einem Spatenstich. Denn Škoda brauchte schon wieder neuen Raum für die Erweiterung der Fertigung. Gleich neben der Montagehalle M 13 wurde der Bau einer weiteren Produktionsstätte begonnen, in der ebenfalls der Škoda Octavia hergestellt werden soll. Die Stückzahl liegt schon längst über sechshundertfünfzig am Tag. 2011 betrug sie achthundert. Bei Fertigstellung der neuen Montagehalle soll sie auf tausendzweihundert erhöht werden.
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