Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesereise Tschechien

Lesereise Tschechien

Titel: Lesereise Tschechien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brill
Vom Netzwerk:
und Bedrängnis, die ihrem Auftreten anzumerken ist, die Flinte nicht ins Korn. »Ich glaube, dass es besser wird«, sagt sie entschlossen. »Ich muss.«

Ächzen, Stampfen, Rattern, Zischen
Ein tschechischer Mythos: Die traditionsreiche Firma Škoda Auto errang seit dem Ende des Kommunismus beispiellose Erfolge
    Der Letzte in der Reihe steigt dann nur noch ein, greift sich die Papiere auf dem Beifahrersitz, dreht den Zündschlüssel um und fährt los. Zum ersten Mal. Fährt das neue Auto herunter vom Laufband und hinüber auf die Grube, wo wieder eine Prüfung wartet. Danach die Runde draußen auf der Teststrecke, die Wasserprobe, und dann, sagt Pavel Radda, »dann kommt die Endkontrolle, und dann können wir’s abhaken, dass wir wieder ein Auto fertiggestellt haben«.
    Sechshundertfünfzig Mal am Tag geht das hier so, sechshundertfünfzig Mal ein neuer Škoda Octavia, und es werden bald noch mehr sein, viel mehr. Rekorde werden aufgestellt und überboten, Tschechien boomt, und Škoda Auto ebenso – wer hätte das gedacht vor dreißig Jahren, als der junge Ingenieur Pavel Radda hier anfing. Und wer im Jahre 1905, als der alte Laurin und der alte Klement hier am Stadtrand von Mladá Boleslav (Jung-Bunzlau) erstmals einen Wagen mit wassergekühltem Zweizylindermotor in V-Konfiguration vorführten, der sich aus eigenem Antrieb fortbewegte.
    Pavel Radda neigt nicht zu großen Worten. Wenn man dem athletischen Zweimetermann in dieser Riesenhalle im Gedröhn seiner Apparaturen mit Superlativen kommt oder ihn nach patriotischen Empfindungen fragt, dann antwortet er ganz nüchtern, als Techniker, der sich ans Greifbare hält. »Das Auto«, sagt er, »ist eine europäische Angelegenheit.« Bleche und Farben, die hier in der Montagehalle M 13 in Mladá Boleslav verarbeitet werden, kommen aus dem Ausland, anderes aus der direkten Umgebung, zusammengebaut wird es in Tschechien, und Škoda Auto ist eine tschechische Firma, die seit 1991 zur deutschen VW -Gruppe gehört.
    Und ist doch mehr: ein Hort der heimischen Ingenieurs- und Handwerkskunst nämlich, eine Firma mit einer großen Tradition und ein tschechischer Mythos. »Wenn Sie unsere Fabrik ansehen«, sagt also der schnauzbärtige Ingenieur Pavel Radda, der bei Škoda Auto die riesige Abteilung Wagenfertigung leitet, »ohne Tradition und ohne Patriotismus wäre das auch möglich. Aber wenn die Leute eine gewisse Beziehung zur Firma haben und auch eine Tradition dahintersteht, dann sind die notwendigen Änderungen leichter durchzuführen.«
    Vieles hat sich verändert. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus hat Škoda Auto Jahr um Jahr die Qualität der Produktion, den Ausstoß und den Verkaufserfolg gesteigert. Immer wieder konnte das Unternehmen verkünden, es habe gerade das bisher beste Jahr seiner Geschichte erlebt. 2005 zum Beispiel verkaufte es vierhundertzweiundneunzigtausend Fahrzeuge, der Verkaufserlös betrug 6,5 Milliarden Euro. Fünf Jahre später, 2010, war die Produktion bereits auf siebenhundertzweiundsechzigtausend Fahrzeuge gestiegen, der Umsatz auf 8,7 Milliarden Euro. Und bis zum Jahr 2018, so hat es der Firmenchef Winfried Vahland angekündigt, sollen genau doppelt so viele Autos wie 2010 von den Bändern laufen, also eineinhalb Millionen. Den Rang als Tschechiens umsatzstärkstes Unternehmen und größter Exporteur wird also so rasch wohl niemand der Firma aus Mladá Boleslav streitig machen.
    Für Škoda ist es ein historischer Höhenflug, der aus kleinen Anfängen kam. Am 18. Januar 1905 erteilten die tschechischen Behörden jenem Fahrzeug vom Typ Voiturette die Zulassung, das der introvertierte Tüftler Václav Laurin und der geschäftstüchtige Buchhändler Václav Klement im Monat zuvor fertiggestellt hatten. Im April 1906 wurde die Voiturette auf der Prager Automobilausstellung erstmals präsentiert, nach Daimler, Benz, Renault, Peugeot, Ford und Fiat trat damit eine weitere europäische Automobilfirma auf den Plan, zeitgleich mit Rolls-Royce.
    Im Werksmuseum kann man die Unternehmensgeschichte im Schlenderschritt durchmessen. Es würdigt Laurin & Klement natürlich erst einmal, wir sind im Jahr 1895, als Hersteller des Fahrrads Marke Slavia und des »besten Motorzweirads der Welt«. Nicht nur prachtvoll aufgeputzte Oldtimer geben dem Rundgang ihren Reiz, sondern auch die Einsicht, wie stark sich die Landesgeschichte in der Firmenhistorie spiegelt. Da ist die junge, unabhängige Tschechoslowakei mit ihrem Präsidenten Tomáš G. Masaryk,

Weitere Kostenlose Bücher