Lesereise Tschechien
fotografiert vor der Luxuskarosse Hispano-Suiza, einem Lizenzprodukt – damals, 1925, fusionierte Laurin & Klement mit den Pilsner Werken des Emil Ritter von Škoda, die Maschinen und Loks herstellten und fortan auch den Autos ihren Namen aufdrückten.
Die Naziherrschaft findet sich skurrilerweise wieder in einem Kinderauto Marke Puck, das ein NS -Kommandeur bestellte. Zudem schafften die Deutschen den Linksverkehr ab, was die Verlegung der Škoda-Lenkräder erforderte, und gliederten die Fabrik den Reichswerken Hermann Göring ein. Sie musste Kübelwagen für die Wehrmacht bauen. Ein Foto, das im Hausarchiv verwahrt wird, zeigt Adolf Hitler und Joseph Goebbels mit Škoda-Generaldirektor Karel Hrdlička bei der Automobilausstellung 1936 in Berlin vor einem Škoda Popular.
Zu Zeiten des Kommunismus stellte der Volkseigene Betrieb Škoda hundert gepanzerte Protzkarossen Marke VOS mit Weißwandreifen her, denen die Parteibonzen Stander auf die geblähten Kotflügel pflanzten. Auch Mao Zedong hat ein solches Auto gefahren. Fürs Volk gab’s jene proletarisch-kleinbürgerlichen Pkws, denen notorisch der Vergaser oder der Drahtzug des Gaspedals versagte – eine bittersüße Erinnerung, der die slowakische Zeitschrift Týždeň 2005 zum hundertjährigen Jubiläum Rechnung trug mit einem Foto, das ein Ehepaar beim Sonntagsausflug zeigte: der Škoda am Straßenrand, unter aufgeklappter Kühlerhaube hantiert der Mann, die Frau schaut gefasst in die Wiese. Es war die Zeit der Škoda-Witze: Wie kann man den Wert eines Škoda verdoppeln? Indem man den Tank mit Benzin befüllt. Oder der: Warum hat der Škoda beheizte Heckscheiben? Damit man beim Schieben nicht friert.
Es ist nicht einfach zu ermitteln, wie viele Modelle seit 1905 die Werkshallen in Mladá Boleslav verlassen haben. Alleine im Museum und dem angeschlossenen Depot werden zweihundertsiebzehn Musterexemplare aufbewahrt, Leichenwagen, Busse, Feuerwehr- und Rotkreuzautos eingeschlossen. Wer sie bestaunt und die brutalen Brüche des vergangenen Jahrhunderts bedenkt, mag leicht dem Ingenieur Pavel Vacek zustimmen, der es ein regelrechtes Wunder nennt, dass die Firma die Veränderungen überhaupt überstanden hat – »und heute sogar davon profitiert«.
Pavel Vacek hat in Mladá Boleslav fünf Jahre lang die Aggregatefertigung geleitet, also die Herstellung von Motoren, Getrieben oder Achsen. In einer neuen Halle von dreihundertsiebzig Metern Länge und zweihundertvierzig Metern Breite, deren Boden so weiß und reinlich ist, dass man davon essen könnte, arbeiten in drei Schichten mehr als dreitausend Männer und Frauen, qualifizierte Facharbeiter wie angelernte Montagewerker, sie tragen hellgraue Arbeitsanzüge mit grünen Streifen. An ihren Automatenständen nehmen sie vom Nachbarn Kurbelwellen oder Zylinderkurbelgehäuse entgegen, die sich auf der Fertigungslinie voranbewegen. Jeder kennt seine Handgriffe, erledigt seinen Teil ohne Hast, gibt Signal und übergibt an den Nächsten. Wie im Sportstadion zeigen digitale Tafeln den Stand der Dinge an, wie überall im Werk auf Tschechisch und Deutsch.
Ein Ächzen, Stampfen, Rollen, Rattern, Klopfen, Klappern, Zischen erfüllt den Raum, der größer ist als ein Bahnhof. Es heult in den Höhen, Greifer, Pressen, Stanzen vollführen vorgegebene Bewegungen, Gabelstapler durchgleiten den Raum. Bunt leuchten die Automatenstände, und in einer verglasten Kammer am Ende der Montagelinie, nach einundfünfzig Stationen, schwenkt ruckhaft ein Roboterarm eine Kamera in verschiedenste Positionen, von denen aus in siebenundzwanzig Sekunden jeder Motor auf korrekte Fertigung kontrolliert wird. Schließt man die Augen, man könnte sich in einem lärmenden Urwald aus Maschinen und Metall wähnen.
Natürlich ist dies neuester Stand der Technik, und natürlich war dies vor der Wende anders. Der Ingenieur Pavel Vacek, der vor mehr als fünfundzwanzig Jahren ins Unternehmen eintrat, lernte zwar 1986 als junger Mann schon Roboter und Computer kennen, schon damals hatte Škoda technisch ein höheres Niveau als andere Staatsbetriebe. Aber im alten Aggregatewerk bedeckten Öl und Späne den Boden, man schuftete hart, es ging um Stückzahlen; Ausschuss und Qualität spielten keine so große Rolle. Ein Qualitätsregelkreis, »das war damals eine unbekannte Sache«, sagt Pavel Vacek. Und überhaupt bedeutete es beim großen Umschwung für alle Mitarbeiter »den größten Schritt«, wie Vacek fortfährt, »das Thema Qualität von der
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