Lesereise Tschechien
Milliardäre, die nach dem Kollaps des Kommunismus in den neunziger Jahren, der großen Zeit der Privatisierungen, zu Geld kamen und damit so geschickt weiterwirtschafteten, dass sich für sie der goldene Traum vom Kapitalismus in fast schon märchenhafter Weise erfüllte.
Zdeněk Bakala verließ sich dabei ganz auf sein amerikanisches Know-how und orientiert sich auch beim Geldausgeben daran, wie reiche Leute in den USA die eigene wirtschaftliche Potenz nutzen, um sich gesellschaftspolitisch zu engagieren. Bakala will Dinge tun, die seiner Meinung nach dem Lande nützen. Zum Beispiel bereitet er die Gründung eines wissenschaftlichen Instituts, eines Thinktanks, vor, der sich mit Analysen in die gesellschaftliche Diskussion einschalten soll. Wie Václav Havel, der wichtigste Intellektuelle des Landes, ist Bakala der Meinung, dass Tschechien in manchem noch viel zu provinziell vermieft sei, und das würde er gerne ein bisschen aufzubrechen helfen. »Diese Gesellschaft muss die Reste der sowjetischen Denkart loswerden«, sagt er, »da ist immer ein Feind, den man zerstören muss, und da ist keinerlei Transparenz. Das sind sowjetische Denkmuster, von denen die Gesellschaft sich nur langsam und schmerzhaft befreit.« Tschechiens Politiker müssen nach seiner Meinung auch endlich die EU als bedeutende Institution und Autorität akzeptieren. »Die Leute müssen diese merkantilistische Vorstellung loswerden, dass sie als Schwarzfahrer in der EU mitreisen können.«
Auch kulturell ist der Unternehmer engagiert. Zusammen mit seiner Ehefrau Michaela, einer früheren Miss Tschechoslowakei, beteiligte er sich 2011 an der Produktion von Václav Havels erstem Spielfilm »Der Abgang«, der auf dem gleichnamigen Theaterstück basiert. Mit Havel hat Bakala sich über viele Jahre hin angefreundet, und 2010 kaufte er auch nicht weit von der Prager Burg entfernt ein historisches Gebäude, in dem der einstige Dissident und Staatspräsident seine Gedenkbibliothek einrichten will.
Ganz nebenbei hat Zdeněk Bakala sich außerdem im Ausland einen kleinen Spaß gegönnt, weil er doch das Radfahren so mag. Er kaufte einen Mehrheitsanteil des belgischen Radrennteams Quick Step, einer nationalen Institution. Weshalb man auch in Belgien erfuhr, was einer werden kann, wenn er auf gute Schulen darf und dann das Glück hat, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und daraus das Richtige zu machen.
Das Alphatier auf der Burg
Václav Klaus erzielt als Marktradikaler, EU -Kritiker und Öko-Gegner große Aufmerksamkeit
Er nervt sie alle, aber ein schlechtes Gewissen hat er deshalb offenkundig nicht. Im Gegenteil: Er genießt es, und er zelebriert es. Er sonnt sich in den Scheinwerfern der großen Aufmerksamkeit. Im dunkelblauen Anzug tritt er in der Prager Burg vor jenen edlen Gobelin, der ihm mit seinen mythologischen Schlachtenszenen den passenden Hintergrund für seine Pressekonferenzen abgibt. Neben dem Pult steht die Präsidentenstandarte mit dem Staatswappen und der Aufschrift Pravda vítězí (Die Wahrheit siegt).
Was Václav Klaus an diesem Nachmittag zu sagen hat, dauert vier Minuten, seine Erklärung umfasst exakt eine DIN -A4-Seite. Natürlich hätte es genügt, den Text in Tschechisch und Englisch ins Internet zu stellen, wie es ja nach diesem Auftritt auch gleich geschieht. Aber Václav Klaus trägt ihn mit seiner hellen Stimme persönlich vor. Dann tritt er ab, Fragen sind nicht zugelassen. Die weihevolle Aura soll nicht durch kritische Einwürfe leiden, die am Ende noch die ganze Widersprüchlichkeit und Anmaßung dieser Inszenierung enthüllen könnten.
Seit diesem Augenblick immerhin – es war am 9. Oktober 2009 um 15:04 Uhr – wusste Europa, womit Václav Klaus die übrigen sechsundzwanzig EU -Länder quälen wollte, ehe er als Letzter der siebenundzwanzig Staatschefs zur Ratifikation der großen EU -Reform und des Vertrags von Lissabon bereit war. Auch die eigene Regierung in Prag fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Denn ihre Sache war es und nicht die des Präsidenten, bei den Verhandlungen die Interessen Tschechiens zu wahren; sie wurde aber vom Meister ebenso wie die gesamte EU brüskiert und zum Nachsitzen verdammt. Der tschechische Staatspräsident verlangte Nachbesserungen.
Václav Klaus gegen den Rest der Welt – es ist eine vertraute Konstellation. Verkniffen lächelnd präsentiert sich der Herr der Prager Burg gern als eines jener Alphatiere, denen ein Alleingang nicht Angst macht, sondern ein sportives
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