Lesereise Tschechien
Wo immer die Freiheit und die Marktwirtschaft zum Thema werden, ist seine Stimme zu vernehmen. Er ist gebildet und ein guter Redner, kann auch humorvoll und im persönlichen Umgang durchaus charmant sein, wie Kenner berichten. Deshalb ist ihm im Allgemeinen durchaus eine recht hohe Zustimmung gewiss, auch wenn er die an den Staatspräsidenten gerichtete Erwartung einer überparteilichen Amtsführung bitter enttäuscht. »Aus einem Tiger wird niemals ein Vegetarier«, hat dies der frühere Minister Vladimír Mlynář einmal kommentiert. Damals hatte der Präsident gerade sein Veto gegen ein Gesetz über die Zoologischen Gärten eingelegt, so wie er später auch die Homo-Ehe blockierte, bis er im Parlament überstimmt wurde.
Tatsächlich geriert sich der Siebzigjährige in der öffentlichen Wahrnehmung kaum anders als in früheren Jahren, da er erst Finanzminister und dann Ministerpräsident war: meinungsstark, unerschrocken, besserwisserisch, unnachsichtig gegen Andersdenkende. Auch ein gewisser populistischer Geltungsdrang, den der Publizist Martin Jan Stránský »mit einer fatalen Dosis Narzissmus« aufgeladen sieht, ist unverkennbar. Václav Klaus ist insofern Selbstdarstellern wie Nicolas Sarkozy oder Silvio Berlusconi nicht unähnlich, dem neuen Typus des Theatralikers. Er polarisiert. Man verehrt oder verflucht ihn.
Im Unterschied zu Sarkozy und Berlusconi gründet Klaus sein strotzendes Selbstbewusstsein freilich auf komplexe theoretische Gesellschaftsentwürfe und sein strenges Selbstverständnis als Akademiker, als Ökonom, der sich mit einem Professorentitel und diversen Ehrendoktorhüten schmücken darf. Auf die in jungen Jahren bei der Staatsbank gesammelte Erfahrung mit statistischen Modellen stützt er sich noch heute, wenn er gegen Umwelt- oder Klimakämpfer vom Schlage eines Al Gore zu Felde zieht, die er Environmentalisten nennt.
Für ihn sind sie genauso schlimm wie einst die Kommunisten, alles Grüne und Rote ist ihm ein Graus. Klaus verabscheut »alle populären Ismen«, wie er vor dem konservativen Cato Institute in Washington erklärte: vom Sozialdemokratismus und Menschenrechtismus über den Internationalismus, Europäismus, NGO ’ismus, Ökologismus und Feminismus bis zum Multikulturalismus. Die Erderwärmung hat seiner Meinung nach natürliche Ursachen, eine menschgemachte Klimakatastrophe gebe es nicht, sondern nur den Versuch von Agitatoren, im Namen des Klimas die Freiheit der Menschen zu beschneiden.
Beiderseits des Atlantik hat er mit solchen Tiraden Aufsehen erregt und heftigen Widerspruch ausgelöst. Die Umweltorganisation Greenpeace nannte seine Äußerungen »völligen Unsinn«, und eine Versammlung tschechischer Klimatologen erklärte in Karlsbad, der Klimawandel sei eine evidente Tatsache, und menschliche Aktivitäten, hauptsächlich die Emission von Kohlendioxid, trügen dazu höchstwahrscheinlich bei. Václav Klaus blieb unerwähnt, aber er begriff, dass er gemeint war, und beschwerte sich prompt, dass man ihn nicht zur Gegenrede eingeladen habe. Es sind solche Aktivitäten, die einen Kommentator der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny zu der Bemerkung veranlassten, der Staatspräsident missbrauche die Prager Burg »als Bühne für seine zahlreichen Provokationen als Showman«.
Václav Klaus schert sich nicht darum, sondern folgt seinem Weg. Viel liegt ihm offenkundig daran, auch als Autor in Erscheinung zu treten. Sein Buch »Blauer Planet in grünen Fesseln«, für Laien mühsam zu lesen, hat er in einem Dutzend Ländern und Sprachen vorgestellt. Auf Deutsch ist es in der Karl Gerold’s Sohn Verlagsbuchhandlung KG in Wien erschienen, ein Bestseller wurde es nicht. Auf seiner viersprachigen Website www.klaus.cz hat der eifrige Schreiber indes mehr als dreißig eigene Bücher gelistet, Übersetzungen und die jährliche Sammlung präsidialer Reden und Aufsätze eingeschlossen.
Dass dieser Schaffensdrang am Ende seiner Amtszeit im Februar 2013 mit einem Schlag erlischt, ist nicht zu erwarten. Beizeiten hat Václav Klaus schon angekündigt, er werde sich dann »bestimmt nicht ins Private zurückziehen«. Da die Verfassung ihm eine dritte Kandidatur verwehrt, darf nun gerätselt werden, ob sich der Meister mit neuen Büchern, mit einem neuen Thinktank, mit einer Präsidentenbibliothek oder mit einer Rückkehr in die Parteienpolitik zur Geltung bringen will. Kehrt er zur ODS zurück, tritt er gar an die Spitze der von seinen Getreuen gegründeten Partei freier Bürger,
Weitere Kostenlose Bücher