Lesereise Zypern
dann plötzlich um das Jahr 6000 vor Christus geschah, weiß niemand genau. Selbst die Zeitmaschine hat hier einen Blackout. Jedenfalls blieb Zypern nun fünfzehnhundert Jahre hindurch wohl unbewohnt. Die Wissenschaftler rätseln über eine Epidemie. Doch dann tauchte das Element auf, nach dem die Insel bis heute benannt ist: Kupfer.
Aes cyprium heißt das Metall, das nun aus dem Gestein geschmolzen wurde. Wer sich wieder in die Zeitmaschine setzt, würde im Jahr 2300 vor Christus die Stopptaste drücken und könnte nun zusehen, wie schweißgebadete Männer das »Erz von der Insel Zypern«, wie es übersetzt heißt, aus dem Gebirge holen. Das Gestein wird geröstet und verschlackt. Spiegel, Gefäße, Waffen – zu allem war das Edelmetall gut. Kupfer war der Hightech-Rohstoff der Antike. Die Römer produzierten später jedes Jahr fünfzehntausend Tonnen davon, nicht allein auf Zypern, sondern an vielen Stellen in ihrem Reich. Auf Zypern entstanden nun erste Städte, von denen die meisten heute noch existieren. Nach dem Trojanischen Krieg ließen sich um 1500 vor Christus die Veteranen der Schlacht hier nieder. Nun wurde Griechisch auf der Insel gesprochen. Es herrschte ein buntes Leben: Vasenmaler, Bildhauer und Elfenbeinschnitzer folgen ihrer filigranen Kunst. Kupferstecher und Bergarbeiter produzieren Reichtum. Priester beten zur breiten Riege der griechischen Götter. Doch herrschte keine Eintracht auf der Insel, sondern elf Stadtkönigreiche von Pafos bis Ledra buhlten in ständigem Wettstreit um die Vormacht. Der Blick nach vorn vom bequemen Sessel der Zeitmaschine verkündet Unheil: Das wirtschaftlich prosperierende Stadtleben weckt bei den argwöhnisch darauf schielenden Großreichen der Nachbarschaft Begehrlichkeiten. Prompt kommen Assyrer, Ägypter und Perser, um sich die im gegenseitigen Zwist niederkämpfenden Stadtkönigreiche einzuverleiben.
Erst Alexander der Große beendet nach seiner »Keilerei bei Issos« im Jahr 333 vor Christus gegen den persischen König Dareios III. kurz darauf auch die persische Herrschaft über Zypern. Als nach Alexanders Tod seine Erben das Reich aufteilen, gelingt es einem Ägypter, sich Zypern anzueignen. Er schafft griechische Beamte herbei, die für ihn die Insel verwalten. Nun zeigt sich, aus wie vielen Ländern der näheren Umgebung die »göttliche« Insel im östlichen Mittelmeer ihre Bewohnerschaft bezieht. Welche Vielzahl genetischer Fingerabdrücke hier hinterlassen wurde, welches Völkergemisch immer wieder aufs Neue den Zyprioten formte – das ist Multikulti in Reinform. Gerade blüht noch die griechische Kultur auf. Der Gouverneur in Pafos lässt sich hübsche Mosaiken in die Fußböden seiner Villen legen – da sammeln sich schon wieder Gewitterwolken am Himmel.
Weil die Römer schon früh eine genaue Buchführung hatten, lässt sich heute noch feststellen: Sie besetzten Zypern im Jahr 58 vor Christus, als Vorposten auf dem Weg zur Eroberung Ägyptens. Ja, so war es wieder um die schöne Insel geschehen. Sie diente als Waffenlager, als Sammelplatz für Truppen, als Wellnessresort für abgekämpfte Seeleute und zum Auftanken mit Frischwasser. Die jeweiligen Herrscher in Rom freuten sich maßlos über die Insel in ihrem Einflussbereich. Sie wurde eigenständige römische Provinz, sodass sich ein Prokonsul in den Villen von Pafos direkt am Hafen mit Blick aufs weite Meer Richtung Ägypten niederließ.
Als Insasse einer Zeitmaschine ist man natürlich klüger, denn ein Vor und Zurück ist möglich. Somit erweisen sich nachträglich die Jahrhunderte der Römerzeit als wohlhabend und glücklich. Niemand wagte mehr anzugreifen. Es lag Frieden über der Insel. Der Handel blühte. Das Kupfer wurde immer noch zu Höchstpreisen verkauft. Holz zum Haus- und Schiffbau gab es auch noch genug. Die Römer errichteten ein Heiligtum nach dem anderen, denn an Götterkult standen sie den Griechen nicht nach. Kurios war nur: Für etwa sechzehn Jahre war Zypern ägyptisch – Cäsar hatte für Kleopatra nicht das passende Geschenk zum Geburtstag gefunden, da sagte er ihr knapp: Nimm Zypern!
Doch bald fiel es an die Römer zurück. 45 nach Christus gab es die nächste Überraschung. Apostel Paulus, der vom Heiligen Land kommend vorbeischaute, konnte den römischen Prokonsul vom Christentum überzeugen. Mehr als dreihundert Jahre später wurde die Insel das erste christlich regierte Land der Welt!
Als sich 395 das römische Reich teilte, kam Zypern zu Byzanz. Die folgenden
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