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Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knut Diers
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und wildem Thymian schießen also auch die Spekulationen der Touristen ins Kraut darüber, was sie hier vor sich sehen. Geforscht werden kann hier wohl noch Jahrzehnte – es ist ein weites Feld.

Wo ist die sichere Bank?
Ramschniveau und Steuerparadies – ein Blick auf die Finanzlage
    Wer hinein will, braucht Zeit. Die Sicherheitsschleuse der Filiale der Bank of Cyprus macht eine klare griechische Ansage. Es muss etwas in der Richtung »Knopf drücken« bedeuten. Jedenfalls nähert sich der erstmalige Bankkunde der verschlossenen ersten Tür, die sich tatsächlich nach Knopfdruck öffnet. Dann spricht die Stimme wieder mit ihm. Die Tür schließt sich. Der Eindringling ist gefangen in einem Glaskäfig, denn er hat eine zweite Tür vor sich. Und die ist verschlossen. Von außen und innen kann er wie ein Forschungsobjekt betrachtet werden. Was wird er tun? Wie laufen die nächsten Reaktionen ab? Wird er Zeichen von Nervosität aussenden? Die Frauenstimme, die im Inneren des Käfigs zu hören ist, spult in ihrer ruhigen Eleganz weiter einen griechischen Satz nach dem anderen ab. Schließlich öffnet sich die Tür zum Heiligtum. Die Bank of Cyprus heißt den Neuling willkommen.
    Nun ist dies gerade ein schlechter Tag für das Bankgewerbe. Eine amerikanische Ratingagentur, die auch die Kreditbewertung von Euro-Ländern ständig den Gegebenheiten anpasst, hat gerade heute Morgen Zypern um zwei Stufen in der Werteskala fallen gelassen. Erst neulich war das Land schon abgesackt. »Kein Problem«, hatten die Banker in Nikosia versichert, »wir haben alles im Griff.« Den Zusatz »auf dem sinkenden Schiff« ließen sie zwar weg, aber der Informierte hörte den Nachsatz deutlich. Diesmal ist es ernst. Das Rating für Angebote zypriotischer Banken bewegt sich in der Kategorie »spekulative Anlage«, was gemeinhin als Ramsch bezeichnet wird. Zypriotische Banken sind also auf Ramschniveau abgerutscht. Das ist die bittere Wahrheit von diesem Morgen.
    Anastasia lächelt. Die dunkelhaarige Schönheit hinter dem Schreibtisch blickt aus ihren Akten auf und fragt den Gast höflich auf Englisch, womit ihm zu helfen sei. Der Fremde möchte zunächst wissen, ob der Bank noch zu helfen sei – Ramschniveau sei schließlich ein Tritt vors Schienbein jedes Tresorwärters. Sie lächelt wieder. »Möchten Sie ein Konto eröffnen?«, fragt sie höflich. »Das tun viele Ausländer. Sie können es online von zu Hause aus führen und sogar im Ausland Geld von diesem Konto bei uns abheben.«
    Der Plan erscheint dem potenziellen Neukunden allzu durchsichtig. Die Banken am unteren Wendekreis des Geldes brauchen dringend Kapitalspritzen, und die können nur von außen kommen. Die Zinsen auf Einlagen liegen höher als in Mitteleuropa. Das soll jetzt ziehen. Und würde nur jeder zweite Gast, der seinen Fuß auf die Insel setzt, hier ein paar Hunderter auf ein Konto einzahlen, es würde dem Bankenapparat sicher helfen.
    Auf den Tischen liegen bunte Broschüren von »Lebensplänen« aus, die laufende Einzahlungen empfehlen und ein wachsendes Vermögen in einer dieser – Entschuldigung – Ramschbanken erzeugen sollen. Anastasia kann da genauso wenig helfen wie der herbeieilende Alexandros. Beide reden auf den möglichen Geldbringer ein, als hätte er einen Bentley vor der Tür geparkt.
    Seit Zypern im Jahr 2004 in die Europäische Union aufgenommen wurde, haben sich Tausende von Gesellschaften mit ihrem Briefkasten hier niedergelassen. Die Steueroase blühte auf. In Limassol, wo Reeder aus aller Welt ihre Schiffe anmelden, weil es so maßlos günstig ist, sind schon die Büros knapp geworden. Achthundertneununddreißig Handelsschiffe tuckern unter zypriotischer Flagge durch die Weltmeere, davon allein neunundsechzig Öltanker und hundertdreiundneunzig Containerschiffe. Griechen, Deutsche und Russen sind da ganz weit vorn. Gewerbesteuer existiert nicht. Dividenden sind steuerfrei. Da freuen sich die Anleger. Die vielen Firmen unter der Rubrik »Zypern Limited« werden aus dem Ausland ferngesteuert. In den üblichen Werbesätzen für Steuerparadiese steht über Zypern noch: »Als einziges EU -Mitgliedsland kämpft Zypern weder mit hohen Arbeitslosenzahlen, noch wird es von einem Schuldenberg erdrückt.«
    Mag die aktuelle Arbeitslosenquote tatsächlich noch bei fünf Prozent liegen, der Schuldenberg ist immens. Das liegt vor allem an der tiefen Verstrickung der Banken in die Abgründe der griechischen Finanzwelt. Die beiden größten Banken der Insel

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