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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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zeigte ihr eine Seite seiner Persönlichkeit, die ihr bislang völlig fremd gewesen war. Er hatte keinerlei Verständnis dafür, dass sie Lily Milson zu sehr liebte und bemitleidete, um in einer Stunde der Not einfach verschwinden zu können. Flynn meinte, dass der Verlust eines Kindes in Irland ein alltägliches Vorkommnis und nach ein oder zwei Tagen vergessen sei. Er fand, Mrs. Milson sollte dankbar sein, genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und ein gesundes Kind zu haben. Als er fortfuhr zu erklären, dass auf seiner Baumwollplantage die Frauen mit ihren Neugeborenen auf der Schulter arbeiteten und Kinder, die oft jünger waren als Tabitha, ebenfalls auf dem Feld eingesetzt wurden, erkannte Matilda, dass er die Sklaverei inzwischen nicht nur hinnahm, sondern auch bewusst duldete. Dies veränderte ihre Gefühle zu ihm. Sie hatte Reverend Kirkbright einmal über Leute reden hören, auf die er sich mit dem Begriff »Weißes Pack« bezogen hatte. Dies waren Menschen, die in der Gesellschaft der Weißen nicht aufsteigen konnten und schließlich ihre Wut darüber an den Schwarzen ausließen.
    Matilda konnte Flynns Enttäuschung darüber, dass sie nicht sofort aufgebrochen war, durchaus verstehen. Er musste sehr einsam sein, wenn er abends in ein kaltes, leeres Haus zurückkehrte. Aber der Flynn, in den sie sich verliebt hatte, war ein Idealist gewesen. Was hatte ihn so verändert, dass er von einer Ehefrau wie von einer Haushälterin sprechen konnte?
    Sie beschäftigte sich den ganzen Tag damit, Flynns neuen Brief mit den früheren, liebevollen zu vergleichen. Je mehr sie die Briefe nebeneinander legte, desto wütender wurde sie, denn ihr wurde plötzlich bewusst, dass dieser letzte Brief, den er in Wut geschrieben hatte, sein wahres Gesicht zeigte und die wirkliche Natur seiner Arbeit enthüllte. In den anderen hatte er verführerisch schöne, aber gewiss falsche Bilder für sie gezeichnet.
    Matilda bemerkte plötzlich, dass sie sich von Beginn an hatte täuschen lassen. Sie hatte geglaubt, dass er damals nur seine Lust gezügelt hatte, um sie zu schützen. Doch wenn sie an die geübte Art dachte, wie er sie ausgezogen und berührt hatte, wurde ihr klar, dass er Erfahrung mit Frauen haben musste. Er wusste, wie er Befriedigung erlangen konnte, ohne Gefahr zu laufen, dass sie schwanger wurde. Wahrscheinlich hatte er sie durch das Liebesspiel an sich binden und all ihre Zweifel ausräumen wollen. War es nicht sogar möglich, dass er damals schon gewusst hatte, wie bald er nach Charleston gehen würde? Da ihre Gegenwart für seine Zukunft unerlässlich war, hatte er durch seine leidenschaftlichen Umarmungen dafür sorgen wollen, dass sie ihm folgen würde, sobald er nach ihr rief.
    »Er hat mein Vertrauen ausgenutzt«, murmelte sie wütend und dachte an seinen feinen Mantel mit den Silberknöpfen. »Und er wollte mich heiraten, damit ich seiner Person mehr Glaubwürdigkeit verleihe.«
    Matilda war jetzt weit davon entfernt, Tränen zu vergießen. Als sie in dieser Nacht nach Feder und Papier griff, wollte sie Flynn ebenso verletzen, wie er sie verletzt hatte.
    Flynn, schrieb sie, endlich habe ich dich durchschaut! Niemals kann ich einen Mann heiraten, der kein Mitleid mit einer Frau empfindet, die ihr Kind verloren hat. Aber wie dem auch sei, ich werde nie in einem Haus leben können, das einem Plantagenbesitzer gehört, der Kinder zur Arbeit auf dem Feld zwingt. Hättest du mir berichtet, dass du dich einer Organisation angeschlossen hast, die entflohenen Sklaven bei ihrer Flucht in den Norden hilft, wäre ich dir sofort und ohne Zögern gefolgt. Aber die Vorstellung, wie du auf einem Pferd über die Felder reitest und die Schwarzen auspeitschst, verursacht mir geradezu Übelkeit.
    Außerdem wünsche ich mir eine gleichberechtigte Partnerschaft. Wenn ich einmal heirate, möchte ich meinem Mann nicht nur die Hemden waschen und das Essen vorsetzen. Ich will viel mehr für ihn sein …
    Matilda faltete den Brief und versiegelte ihn. Sie würde ihn am nächsten Tag, wenn ihre Wut verraucht war, nicht noch einmal lesen.
    In den Tagen, nachdem sie den Brief aufgegeben hatte, empfand sie den Gedanken, tapfer und konsequent gehandelt zu haben, nicht als besonders tröstlich. New York war im Januar ein trister Ort. Eiskalter Wind fegte vom Atlantik ins Landesinnere. Der Himmel war grau verhangen, und der Schnee verwandelte sich in schwarze Eismassen, die sich meterhoch am Straßenrand auftürmten.
    Tabitha war jetzt fünf

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