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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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Apfelbäume im Frühling blühen zu sehen und im Sommer auf dem Rasen Tee zu trinken! Vermisst du diese Dinge nicht auch?«
    Lily schien völlig vergessen zu haben, dass Matilda im Slum aufgewachsen war und ihre Erinnerungen, wie auf dem Rasen Tee zu trinken und andere bürgerliche Traditionen, nicht teilte. Seit ihrer Fehlgeburt hatte Lily begonnen, sie mehr wie eine jüngere Schwester zu behandeln als wie ein Dienstmädchen. Sie hatte ihr ein hübsches blau gestreiftes Kleid mit Stickereien auf der Brust genäht und suchte ihre Gesellschaft viel öfter als früher. Bei mehreren Gelegenheiten hatte sie Matilda sogar darum gebeten, sie mit »Lily« anstatt mit »Madam« anzusprechen. Obwohl das sich verändernde Verhältnis Matilda etwas beunruhigte, war es nicht einseitig. Auch sie erkannte, dass sie Lily immer mehr als Freundin sah, statt als Dienstherrin. Vielleicht lag dies daran, dass sie inzwischen selbst Herzschmerz kennen gelernt hatte. Wenn auch die Ursachen ihrer beider Melancholie unterschiedliche waren, ähnelten sich ihre Symptome doch sehr.
    »Ja, ich vermisse England auch«, stimmte Matilda zu. »Ich würde alles dafür geben, meinen Vater und Dolly wiederzusehen und noch einmal durch Primrose Hill zu laufen, den Tower und all die anderen Orte zu besuchen, die ich geliebt habe. Aber selbst wenn der Reverend einverstanden wäre, in die Heimat zurückzukehren, kann ich mir nicht vorstellen, dass er Landpfarrer werden oder eine Gemeinde in einem hübschen Teil von London betreuen wollte. Er ist zu sehr mit seiner Arbeit mit den Armen verbunden.«
    »Aber warum?« Lily stapfte entrüstet mit dem Fuß auf den Boden. »Wir könnten in Bath oder anderswo ein so glückliches Leben führen.«
    Matilda lächelte. Manchmal benahm sich Lily wie ein verwöhntes Kind. Sie war glücklich, wenn alles nach ihrem Willen lief, und schmollte, wenn es nicht so war. »Wissen Sie, er ist kein Mann, der seine Prinzipien verrät«, antwortete sie. »Das ist seine bewundernswerteste Eigenschaft, Madam. Nur wenige Männer sind so konsequent wie er.«
    Lily blickte sie an. »Was weißt du über Männer?«
    »Nicht viel, aber immerhin genug, um das zu erkennen!«, erklärte Matilda. »Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Männer nur durch Wollust, Gier und Abenteuer angetrieben werden. Andere Ehefrauen erhalten sicher sehr viel weniger Liebe und Aufmerksamkeit als Sie, Madam.«
    Matilda konnte Lilys Ängste jedoch sehr gut verstehen. In New York veränderten sich die Dinge blitzartig. Gebäude wurden abgerissen und größere Prachtbauten an ihre Stelle gesetzt. Ganze Häuserblocks schossen aus dem Nichts empor, und Wohngegenden, die bislang von wohlhabenden Menschen bewohnt worden waren, verwandelten sich fast über Nacht in Slums. Matilda hoffte, dass sie wenigstens diesen Teil von New York bald verlassen könnten, wenn sie schon nicht nach England zurückgehen würden.
    Sie wartete, bis Lily zu Bett gegangen war, bereitete eine Tasse heiße Schokolade für Giles zu und erklärte ihm Lilys Wunsch.
    »Nach England zurückgehen?«, fragte er leicht erstaunt. »Das ist undenkbar, Matty. Ich habe mich mit Haut und Haaren diesem Land verschrieben, und es gibt hier noch so viel zu tun.«
    Matilda war keineswegs erstaunt über seine Antwort. Sie hatte nichts anderes erwartet. Deshalb versuchte sie, ihm die Ängste seiner Frau zu erklären, ihre Sorgen um das Viertel, in dem sie lebten, und dass sie sich nach grünen Feldern, Gärten und frischer Luft sehnte.
    Er nickte verständnisvoll. »Mir selbst geht es oft ähnlich. Wenn es möglich wäre, würde ich uns einen schöneren Ort zum Leben suchen. Aber ich muss mit dem zufrieden sein, was die Kirche mir bietet. Außerdem werden wir ja nicht immer hier bleiben. Wenn ich den Grundstein für ein funktionierendes Wohltätigkeitssystem gelegt habe, möchte ich gern weiterziehen.«
    »Aber doch nicht an einen noch schlimmeren Ort?« Matildas Augen weiteten sich vor Schreck.
    »Nein«, er lachte. »Du vergisst, dass ich eine Art Abenteurer bin, Matty. Amerika ist ein so großes Land, und ich habe erst ein sehr kleines Stück davon gesehen. Zurzeit machen sich Leute auf, um die unbekannten Gebiete im Westen zu erkunden.«
    Matilda hatte von den Menschen gehört, die in Planwagen loszogen, um in Oregon Land zu finden. Doch sie glaubte nicht, dass ihre Herrin Freudensprünge vollführen würde, wenn sie diese Mühen ertragen müsste. Durch hohes Gebirge und Täler zu ziehen, breite Flüsse

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