Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
Vom Netzwerk:
Wagen vorbei.
    »Noch wach?«, fragte er. »Nach dem Tumult heute hätte ich vermutet, dass Sie schon seit Stunden schlafen.«
    »Ich glaube, ich musste erst meine Gedanken über diesen schrecklichen Mann in meinem Tagebuch festhalten«, erwiderte sie. »Arme Marie, ich hoffe, er lässt seine Wut nicht an ihr aus.«
    »Das wird er nicht wagen, solange ich in der Nähe bin«, erklärte er und setzte sich neben sie. »Ich wundere mich nur, warum eine Frau einen solchen Mann überhaupt heiratet?«
    »Sie hat mir erzählt, dass ihre Eltern ihn für sie ausgewählt haben. Sie dachten, dass er auf der Farm helfen und gut zu ihnen sein würde, weil er so groß und stark war. Aber ihr Vater starb bereits einige Monate nach der Hochzeit, und seine Frau folgte ihm sehr bald. Donnier ließ die Farm verwahrlosen, verkaufte dann das Land und bestand darauf weiterzuziehen.«
    »Wie viele traurige Geschichten dieser Art habe ich schon gehört!«, seufzte er und schüttelte den Kopf. »Die Welt ist ungerecht, das ist ganz sicher. Ich bin froh, nicht als Frau geboren worden zu sein.«
    Sie wunderte sich über seinen teilnahmsvollen Tonfall. Eher hätte sie vermutet, dass er Marie die Schuld geben würde.
    »Das Schlimmste ist, dass es für sie keinen Ausweg gibt.« Sie sah ihn mit traurigen Augen an. »Ihr Leben mit ihm ist die Hölle, aber wie sollte sie ihre Kinder großziehen, wenn sie ihn verlassen würde?«
    »Wie werden Sie denn Ihre Kinder großziehen?«
    Noch vor einer Woche hätte eine solche Frage sie wütend gemacht, aber sie spürte jetzt, dass er es nicht böse meinte. »Ich bin aus einem anderen Holz geschnitzt als Marie«, entgegnete sie. »Ich habe mich schon als Kind allein durchgeschlagen und ernährt. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie ich es anstellen werde, doch ich werde sicher einen Weg finden.«
    Sie bemerkte, dass er sie durchdringend betrachtete. »Davon bin ich überzeugt«, sagte er. »Einer Frau, die schießen, einen Wagen lenken, die Kinder fremder Leute pflegen kann und der es gelingt, dabei immer noch bildschön zu sein, kann bestimmt nicht viel Böses widerfahren.«
    Sie mussten beide lachen, und Matilda spürte, dass Wärme und Herzlichkeit zwischen ihnen entstanden war.
    »Gute Nacht, Ma’am!« Er stand auf und hob seinen Hut. »Schlafen Sie gut in dieser Nacht.«

15. K APITEL
    I nzwischen war es September geworden, und die Geburt von Matildas Kind stand unmittelbar bevor. Seitdem sie Willow Springs vor drei Monaten hinter sich gelassen hatten, waren sie durch die Hölle gegangen. Viele der Tiere waren vor Erschöpfung gestorben oder verhungert. Wagenräder waren geborsten, weil die Sonne das Holz ausgetrocknet hatte. Viele Familien waren gezwungen gewesen, ihre Wagen zurückzulassen und mit ihren Besitztümern auf dem Rücken zu Fuß weiterzugehen. Der Staub haftete an ihren Körpern und drang in ihre Lungen und Augen. Alle Reisenden waren durch die Anstrengung, den Hunger und Durst völlig geschwächt. Am Tage wurden sie bei lebendigem Leib geröstet, und in der Nacht froren sie. Oft hatten die Wagen ausgeladen werden müssen, wenn die Ochsen an besonders gefährlichen und engen Stellen geführt werden mussten. Hier hätte ein einziger falscher Schritt den sicheren Tod bedeutet. Außerdem mussten sie sich vor den Tieren selbst in Acht nehmen, denn sie waren vor Durst unkontrollierbar geworden. Sobald sie Wasser in der Nähe witterten, rannten sie auf die Quelle zu und trampelten alles nieder, was ihnen im Wege stand. Während des Trecks waren so viele Menschen gestorben, dass Matilda sich weder an all ihre Namen noch an die Orte erinnern konnte, an denen sie beerdigt worden waren.
    Matildas Arme waren hart und muskulös geworden, ihre Hände hässlich und voller Schwielen. Jeder einzelne Knochen in ihrem Körper schmerzte. Nachts trennte sie alte Baumwollunterröcke auf und nähte Windeln und Wäsche für das Baby. Immer wenn sie die Kleider betrachtete, die Lily damals für ihr eigenes Kind genäht hatte, hoffte sie, dass bald eine bessere Zeit anbrechen und ihr Baby gesund und stark geboren werden würde. Die Vorstellung, das Kind im Wagen zu bekommen, bereitete ihr zwar Angst, aber dennoch wünschte sie sich die Wehen herbei. Dann hätte sie es endlich hinter sich und wäre von der schweren Bürde ihres mächtigen, unbeweglichen Leibes befreit. Wäre Tabitha nicht gewesen und hätte sie Lily nicht versprochen, sich um sie zu kümmern, hätte sie sicher bereits verzweifelt aufgegeben.
    Trotz

Weitere Kostenlose Bücher