Lesley Pearse
zustimmend. »Ich werde mich sofort darum kümmern«, versprach er. »Aber Sie sollten es etwas leichter nehmen. Ich möchte Sie nicht auch noch krank sehen.«
»Ich hatte die Masern bereits«, erzählte sie. »Und ich habe Tabitha gesund gepflegt, als sie daran erkrankt war. Wir sind nicht in Gefahr. Doch ich sorge mich um Mrs. Donnier. Sie ist schon völlig erschöpft, und wahrscheinlich werden nicht alle ihrer Kinder überleben. Sie könnten ihrem flegelhaften Ehemann klar machen, dass seine Frau Hilfe benötigt und Schlaf braucht.«
Als Matilda zu ihrem Wagen zurückkehrte, beobachtete Captain Russell sie aus der Entfernung. Er konnte nicht anders, als beeindruckt zu sein. Ihm gefiel ihre sanftmütige, aber entschlossene Art, mit Tieren und Menschen umzugehen. Auch hatte sie nie mit den Männern kokettiert, um Hilfe zu bekommen, sondern ihre Arbeit selbst geschultert.
Am letzten Abend vor der Abreise des Trecks aus Independence hatte er in einem Saloon eine Geschichte über einen englischen Geistlichen gehört, der seine Frau im Kindbett verloren hatte und später erschossen worden war. Dieser Mann war offenbar etwas ganz Besonderes gewesen, da er sich um Menschen gesorgt und bemüht hatte. So hatte er gegen die Sklaverei angekämpft, die Indianer in Schutz genommen und die Opfer einer Flut in seinem Haus aufgenommen. Ebenso herzlich hatten die Einwohner über die Frau gesprochen, die mit ihm und seiner Gattin nach Independence gekommen war und mit ihnen wie eine Schwester zusammengelebt hatte. Man hatte erzählt, sie habe das Kind des Geistlichen nach seinem Tod nicht nach England zu seinen Großeltern zurückgeschickt, sondern wolle es allein großziehen.
Bereits zu Beginn der Reise vermutete Captain Russell, dass Mrs. Jennings und diese Frau identisch waren. Zunächst glaubte er, sie hätte die Rolle der Witwe nur angenommen, um sich vor den Avancen der Männer zu schützen
Erst später schöpfte er Verdacht, sie könnte schwanger sein. Ihre Art zu gehen erinnerte ihn an die Bewegungen seiner Frau während ihrer Schwangerschaft.
Zuerst war er der Ansicht, dass Mrs. Jennings kalt und berechnend sein musste, wenn sie in das Bett eines trauernden Mannes gestiegen war. Wahrscheinlich wollte sie von ihrer Position der armen Verwandten in die Rolle der Pfarrersgattin schlüpfen und alle Vorteile genießen, die ihr dieser Stand einbringen würde.
Doch während der weiteren Reise begann er, an seiner Meinung zu zweifeln. Sie war nicht kalt und berechnend, im Gegenteil, sie war anständig und distanziert. Ganz offensichtlich liebte sie das kleine Mädchen, und sie war intelligent, selbstständig und hübsch genug, um das Herz eines jeden Mannes auch ohne Hinterlist zu gewinnen. Als er sie endlich dazu bewegen konnte, von ihrem angeblichen Ehemann zu sprechen, strahlten ihre Augen vor Liebe, während sie ihn und seine Eigenschaften pries.
Doch heute hatte sie einen weiteren Aspekt ihres Charakters enthüllt. Zuerst als sie den Wapiti geschossen hatte, um Nahrung für die anderen Leute im Treck bereitzustellen, nicht für sich selbst. Sie hatte nicht einmal darum gebeten, den besten Teil des Fleisches zu bekommen, sondern das Schlachten und Aufteilen vollkommen den Männern überlassen. Dann, als sie Mrs. Donnier mit ihren kranken Kindern so selbstlos und engagiert half.
Sie ist ganz bestimmt nicht berechnend, dachte er, als er beobachtete, wie sie ihre Hände in einem Waschbecken an ihrem Wagen wusch. Sie ist eine Frau, die sich viel mehr von ihrem Herzen als von ihrem Verstand leiten lässt, und er – Gott sei ihm gnädig – war auf dem besten Weg, sich in sie zu verlieben.
James wusste, auf die meisten Menschen machte er den Eindruck, arrogant, sarkastisch und manchmal sogar unverschämt zu sein. Durch dieses Verhalten hatte er in den letzten Jahren seine Vergangenheit und seine wahre Natur verbergen wollen. Ihm war klar, dass er erst einmal mit der Bitterkeit in seinem Herzen zurechtkommen musste, bevor er wieder die Nähe eines Menschen ertragen konnte.
James war der Sohn einer der besten Familien in Virginia. Wenn er die Tochter aus einem ähnlich guten Hause geheiratet hätte, wäre sein Leben sicher vollkommen anders verlaufen. Aber er hatte Belle geliebt, die Tochter des Aufsehers auf der Baumwollplantage seiner Familie – er hatte sie geliebt, seit sie Kinder gewesen waren. Als er seine Ausbildung in West Point abgeschlossen hatte, hatte er sie geheiratet.
Die ganze Familie Russell hatte sich
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