Lesley Pearse
weichen Körper einer Frau in seinen Armen halten zu dürfen.«
»In Ihrer Beschreibung mutet die Prostitution fast heilig an«, protestierte Matilda zornig. »Das ist sie nicht. Sie ist schmutzig und entwürdigend.«
Die Comtesse sah sie verschmitzt an. »Nicht immer«, meinte sie. »Sie kann zärtlich, lustig, entspannend, anreizend und einfach nur aufregend sein. Junge Männer sind durch ihre Erfahrungen mit Huren oft zu großartigen Liebhabern geworden und haben später ihre Ehefrauen beglücken können. Bei einer Hure braucht ein Mann sich nicht zu verstellen. Zu meiner Zeit haben mir viele Männer ihre Geheimnisse anvertraut und sind mit einem beruhigten Gefühl von mir gegangen. Ich habe auch solche getroffen, die wahrscheinlich ihrem Leben ein Ende gesetzt hätten, wenn sie nicht die Zuneigung einer Prostituierten erfahren hätten. Dieses Geschäft ist nicht immer schmutzig und entwürdigend.«
»Nein, vermutlich haben Sie Recht«, gab Matilda widerwillig zu. »Ich habe allerdings in London auch eine andere Seite gesehen. Ich wünschte mir nur, diese Mädchen würden eine Chance in ihrem Leben bekommen, bevor sie, geplagt von schrecklichen Krankheiten, in der Gosse enden.«
»Sie haben ein gutes Herz«, sagte die Comtesse und nahm ihre Hand. »Ihnen sind die Menschen wichtig, nicht nur die Moral. Ich weiß das zu schätzen.«
Matilda fand, sie war nun lange genug geblieben. Sie hatte verstanden, worauf die Comtesse hinauswollte, und bewunderte sie sogar für ihre Ehrlichkeit. »Ich gehe jetzt besser«, erklärte sie. »Ich muss bald zu meinem Schiff. Ich bin erleichtert, dass ich jetzt alles über Maria und Mr. Slocum erfahren habe.«
»Gehen Sie nicht, wenn Sie nicht wirklich müssen«, bat die Frau und blickte sie interessiert an. »Sehen Sie, ich habe von den Gentlemen so viel über Sie erfahren. Man hat über Ihr gutes Aussehen geredet und erzählt, wie schnell Sie rechnen können. Ich habe gehört, Sie sind Witwe und haben kleine Kinder. Ich würde sehr gern die ganze Geschichte erfahren.«
»All das haben Sie hier über mich erfahren?«, staunte Matilda. »Wollen Sie mir sagen, dass meine Geschäftspartner Ihre ›Gentlemen‹ sind?«
Die Comtesse lachte. »Natürlich, meine Liebe. Viele meiner Gäste sind wichtige Stützen der Gesellschaft. Aber wie die Goldspekulanten möchten auch sie ein wenig Spaß haben. Wenn ihre Ehefrauen ein bisschen warmherziger wären und sich nicht ständig um den Anstand sorgen würden, hätte ich keine Kunden.« Die Comtesse lächelte trocken. »Die Frauen, mit denen sie verheiratet sind, sind nicht weniger Huren als meine Mädchen, nur dass sie ihren Körper widerwilliger verkaufen, obwohl für sie gesorgt wird. Aber genug davon. Ich habe nicht oft die Gelegenheit zu einem Plausch mit einer anderen Frau. Erzählen Sie mir doch, wann Sie nach Amerika gekommen sind und warum.«
Matilda war von Natur aus nicht zurückhaltend. Seit sie Oregon verlassen hatte, war sie oft einsam gewesen und hatte sich nach dem offenen Gespräch mit einer anderen Frau gesehnt. Vielleicht erzählte sie der Comtesse ihre eigene Geschichte zuerst nur aus Höflichkeit. Doch die Frau war ehrlich interessiert, und sie entlockte Matilda eine ganze Menge Geheimnisse, sodass sie schließlich alles erzählte, ohne etwas zu verbergen. Sie war ein wenig verwirrt über ihre eigene Ehrlichkeit, aber sie fühlte sich besser.
»Ich vermute, Sie sind schockiert, weil ich doch keine Witwe bin?«, fragte Matilda etwas beschämt.
»Keineswegs«, versicherte die ältere Frau und schüttelte den Kopf. »Ich bin nur überrascht, wie tapfer und mutig Sie sind. Aber ich möchte Ihnen einen Rat für die Zukunft geben. Es war nicht besonders geschickt zu behaupten, Ihr Mann sei Arzt gewesen. Man könnte das nachprüfen. Wenn Sie das nächste Mal in die Stadt kommen, sollten Sie sich einfach weigern, über dieses Thema zu sprechen. Man wird es bald vergessen, und stattdessen werden Sie eine Art Mysterium werden.«
Matilda lächelte. »So wie Sie vermutlich?«
Die Comtesse schenkte ihr ein zahnloses, aber dennoch jugendliches Lächeln. »Ja, auch ich bin den Menschen ein Rätsel. Ich denke, wir haben einiges gemeinsam, Mrs. Jennings.«
»Nennen Sie mich doch Matty«, bat Matilda. »Ich würde mich wohler fühlen, vor allem, da Sie jetzt alles über mich wissen.«
»Und ich heiße Zandra«, gab die Comtesse zurück. »Und wenn Sie jemals zurückkehren, Matty, und ich hoffe, das werden Sie, müssen Sie mir
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