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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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und fragte sich, ob Tabitha sich an das manchmal seltsame Verhalten ihrer eigenen Mutter erinnern konnte.
    Sie hob die Röcke, schälte Susanna aus ihrer Kleidung und watete ins Wasser, um sie zu waschen. Die Kleine jubelte vor Vergnügen laut auf, weil das Wasser so kalt war. Nach all dem Elend klang ihr Lachen in Matildas Ohren wie Musik. Dennoch hatte sie Angst um die Kinder. Susanna war zwar erst zweieinhalb, aber dennoch spürte sie, dass etwas nicht stimmte und anders war als zuvor. Sie hatte angefangen, wieder ins Bett zu nässen, und Sidney berichtete, sie säße oft allein auf der Veranda und wiegte sich traurig vor und zurück.
    Peter aß nicht mehr, und Sidney hatte erzählt, dass er sich nachts in den Schlaf weinte. Einige Male hatte er ihn auf dem Weg gefunden, wo er in Mitleid erregender Weise auf die Rückkehr seines Vaters gewartet hatte. Es war nicht so schlimm, dass die Kinder alle schmutzig waren und eine Weile kein gutes Essen bekommen hatten. Viel ernster war die Tatsache, dass ihnen plötzlich jegliche Liebe und Zuneigung entzogen worden war.
    Sidneys Trauer war nicht in Worte zu fassen. Diese Familie war alles für ihn gewesen. Die Kleinen sah er als seine Geschwister an. John war sein Vater, Lehrer und Vorbild gewesen. An seiner Seite hatte Sidney ein Handwerk gelernt und war zum Mann geworden. Aber mit seinen vierzehn Jahren war er dennoch ein Junge, er brauchte Anerkennung und die Versicherung, dass dies immer noch sein Heim war und dass ihm die Liebe, die man ihm gegeben hatte, niemals entzogen werden würde.
    Dennoch sorgte sich Matilda am meisten um Tabitha. Schon vor ihrer Ankunft in Oregon hatte sie so viel durchstehen müssen. In der Hütte war sie glücklich gewesen, aber jetzt hatte der Tod sie wieder einmal in ein Stadium der Unsicherheit zurückgeworfen.
    In den folgenden Tag wuchsen Matildas Ängste. In der ersten Nacht hatte sie noch angenommen, dass Cissy sich wieder sicher fühlen und ihre Familie wahrnehmen würde, wenn die Hütte erst einmal in Ordnung, die Kinder ins Bett gebracht und sie selbst gebadet und gewaschen worden wäre.
    Aber ihr Verhalten veränderte sich nicht. Wenn Matilda morgens aufwachte, lag Cissy bereits mit offenen Augen neben ihr und starrte mit leerem Blick an die Zimmerdecke. Es war offensichtlich, dass sie kaum schlief. Sie stand zwar auf und zog sich an, wenn Matilda sie dazu aufforderte, ließ sich dann aber sofort in einen Stuhl fallen, wo sie den ganzen Tag sitzen blieb.
    Cissy gehörte Matildas ganzes Mitleid, denn auch sie kannte das Gefühl, wenn der Tod eines geliebten Menschen einem das Herz zerriss. Sie erinnerte sich nur zu gut an die endlos langen Nächte voller Schmerz und Hoffnungslosigkeit nach Giles’ Tod. Auch sie selbst hatte den Wunsch verspürt, sich niederzulegen und ebenfalls zu sterben. Aber sie hatte sich damals zusammengerissen, um sich um Tabitha zu kümmern. Matilda konnte nicht verstehen, wie eine so starke Frau wie Cissy ihre Kinder ignorieren und vergessen konnte. Sie schien taub zu sein und reagierte auf keinen von Matildas Versuchen, zu ihr durchzudringen. Nicht einmal Susannas Geschrei oder Amelias Anstrengungen, auf ihren Schoß zu klettern, berührten sie.
    Ihre Haut wurde fahler, und ihre Locken hatten keinen Glanz mehr. Das unverwüstliche Lächeln, das einfach zu ihrem Charakter gehört hatte, zeigte sich nicht mehr. Auf Fragen antwortete sie mit einem Nicken oder Kopfschütteln, und sie aß immer nur ein paar Löffel, bevor sie den Teller beiseite schob.
    Nachdem einige Zeit vergangen war, fühlte sich Matilda erschöpft von dem Versuch, die gesamte Hausarbeit allein zu erledigen. Sie musste sich um die Kinder kümmern, die Kühe melken, die Tiere füttern und die Feldarbeit erledigen. Sidney versuchte, ihr mit besten Kräften beiseite zu stehen, aber er musste jeden Tag zum Sägewerk gehen, damit es nicht geplündert wurde; also blieb die gesamte Hausarbeit doch an Matilda hängen.
    Auch Tabitha versuchte zu helfen, aber sie wurde wütend und ungeduldig, wenn die Dinge schief liefen. Als Amelia einmal aus der Hütte krabbelte und in eine Pfütze platschte, hob sie das Kind hoch und schlug ihm vor lauter Frustration ins Gesicht, weil sie ihm gerade erst ein frisches Kleidchen angezogen hatte. Als sie einmal versuchte, Holz zu hacken, und es ihr nicht gelang, warf sie die Axt zornig auf den Boden und verfehlte dabei nur knapp Peters Fuß. Matilda schrie sie bei diesen Gelegenheiten an, woraufhin Tabitha sich

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