Lesley Pearse
dass verschiedene Leute sich erkundigt hatten, ob das Sägewerk zum Verkauf angeboten werden würde. Offensichtlich erwarteten sie, es zu einem sehr günstigen Preis erstehen zu können, da sie wussten, dass Cissy es nicht allein führen konnte.
»Aber wir können jemanden einstellen, der das Sägewerk für dich betreibt. Dann können wir die Aufträge erfüllen, und der Wert des Sägewerks wird beträchtlich steigen«, erklärte Matilda.
»Aber wie soll ich den Mann bezahlen?«, fragte Cissy. »Ich weiß nicht, wie viel Geld John auf der Bank hat, aber es können nicht mehr als ein paar Hundert Dollar sein. Außerdem kann ein Mann allein nicht die ganze Arbeit bewältigen.«
Matilda hatte darüber bereits nachgedacht. »Wir könnten zur Bank gehen, ihnen alles erklären und um ein Darlehen bitten.«
»Keiner wird einer Frau Geld leihen«, murmelte Cissy niedergeschlagen.
Matilda grinste. »Doch, genau das werden sie tun, wenn sie mich angehört haben.«
Jacob Weinburg, Besitzer der Oregon City Bank, hatte Cissy Duncans Besuch bereits erwartet. Allerdings hatte er nicht vorausgesehen, dass Mrs. Jennings sie begleiten würde. Sie behauptete nicht nur, Johns Agentin zu sein, sondern wartete auch mit einem Plan auf, wie das Geschäft weiter zu betreiben sei.
Weinburg fand eigentlich, dass Frauen im Geschäftsleben nichts zu suchen hatten, aber sobald Mrs. Jennings zu reden begonnen hatte, erkannte er, dass sie nicht nur eine auffallend attraktive Frau war, sondern auch erstaunlich intelligent und sehr einfallsreich.
»Sie sind nach San Francisco gefahren und haben all diese Bestellungen selber aufgenommen?«, hakte er nach und blätterte das Auftragsbuch durch.
»Selbstverständlich«, antwortete sie und sah ihm geradewegs in die Augen. »Ich denke, es ist meine Pflicht gegenüber dem Verstorbenen und Mrs. Duncan, dass die Aufträge ausgeführt, das Holz verschifft und das Geld eingetrieben wird.«
Mr. Weinburg betrachtete die beiden Frauen. Mrs. Duncan hatte er zuletzt auf der Beerdigung ihres Mannes gesehen, und sie war wie Mrs. Jennings eine hübsche Frau. Es machte ihn traurig, sie so mager und ausgemergelt zu sehen. Er hatte John Duncan immer bewundert und sogar vermutet, der tüchtige Mann würde eines Tages einer der wichtigsten und wohlhabenden Bürger Oregons sein. Vielleicht sollte er seiner Witwe wirklich die Chance geben, ihre Pläne vorzustellen.
Matilda spürte, dass der hässliche, klein gewachsene Banker eher von ihrem Aussehen als von ihren Ideen beeindruckt war, aber immerhin besaßen sie seine Aufmerksamkeit. Sie begann zunächst zu erklären, wie sie mit der alleinigen Absicht, Geld zu verdienen, nach San Francisco gefahren war, und erläuterte dann ihren Plan, einen Arbeiter einzustellen. »Wenn Mrs. Duncan einen angemessenen Lohn anbieten kann, werden wir das Holz rechtzeitig verschiffen können«, endete sie mit fester Stimme. »Alles, was wir von ihnen erbitten, ist die Zahlung der Löhne, bis wir das Geld für die Aufträge eingenommen haben.«
Wie sie vermutet hatte, brachte er seinen Zweifel zum Ausdruck, dass die Leute überhaupt nicht für das Holz zahlen würden.
Matilda lehnte sich auf seinem Schreibtisch nach vorne und blickte ihn entschlossen an. »Diese Stadt sucht verzweifelt nach jeder Art Ware, die Sie sich nur vorstellen können«, erklärte sie. »Holz und andere Baumaterialien stehen ganz oben auf der Bedarfsliste. Wenn die Männer das Holz nicht am Kai abholen und mich dort sofort bezahlen, werde ich die Ladung an Ort und Stelle versteigern.«
Sie gab ihm eine kurze, aber lebhafte Schilderung der Auktionen am Hafen und beschrieb, wie die Männer am Kai auf Schiffe warteten, bereit, die gesamte Ladung aufzukaufen.
»Die größten Geschäfte werden in dieser Stadt nicht mit Gold gemacht. Dieser Auftrag«, meinte sie und zog den von Henry hervor, »ist von Ratsherr Mr. Slocum. Ich habe während meines Aufenthalts in San Francisco bei ihm und seiner Frau gewohnt. Ich kann Ihnen sagen, Mr. Weinburg, Männer, die Kais errichten, Spielhallen und Hotels bauen möchten, werden sich das bestellte Holz nicht vor der Nase wegschnappen lassen.«
Sie fuhr fort und berichtete, einen Arbeiter einstellen und ihm achtzig Dollar in der Woche anbieten zu wollen, vorausgesetzt, er hatte die Bäume bis zum zehnten September gefällt, das Holz bearbeitet und zum Schiff transportiert. Um sicherzugehen, dass er dies einhielt, wollten sie ihm für den Abschluss der Arbeit einen Bonus von
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