Lesley Pearse
weinend im Wald versteckte. Matilda war selbst danach, heulend in den Wald zu flüchten, doch sie konnte nicht. Es musste jemand die Berge an Arbeit erledigen und sich um die Kleinen kümmern.
Der Gedanke an die Zukunft ängstigte sie jedoch noch mehr als die Gegenwart. John hatte alles, was er besaß, in das Sägewerk investiert, und wenn Cissy sich nicht bald erholte und entschied, was damit geschehen sollte, würden die Geschäfte, die John an Land gezogen hatte, verfallen und das Sägewerk wertlos werden.
Jedes Mal, wenn sie in ihr eigenes Auftragsbuch schaute, verzweifelte sie beinahe. Wenn wenigstens diese Arbeiten ausgeführt und das Holz nach San Francisco verschifft werden könnte, würde der Gewinn zumindest ihre größten Probleme aus der Welt schaffen. Sidney wusste erstaunlich viel über Holz, aber er konnte die Arbeit nicht allein bewältigen. Solange Cissy sich in ihrer Trauer einschloss, konnte Matilda nicht herausfinden, wie viel Geld John noch zur Seite hatte legen können und ob sie davon Arbeiter bezahlen konnte.
Zwei Wochen vergingen, und es wurde von Tag zu Tag heißer. Amelia und Susanna wurden weinerlich und störrisch, und nun mussten zusätzlich auch noch die Pflanzen auf dem Feld gewässert werden. Manchmal konnte Matilda diese Arbeit erst erledigen, wenn es dunkel wurde und die Kinder bereits im Bett lagen. Eines Nachts stolperte sie dabei über einen Stein und landete der Länge nach im Bach.
Sie war mehr erschrocken als verletzt, doch als sie sich aufrichtete, sich dabei mit dem Fuß im Rock verfing und ihn zerriss, wurde sie wütend, weil ihr das Nähen noch zusätzliche Arbeit bescheren würde.
Als sie zurück zur Hütte stapfte und Cissy mit ihrem üblichen leeren Blick auf der Veranda sitzen sah, konnte sie ihre Wut und ihre Frustration nicht mehr kontrollieren. »Schön und gut, bleib ruhig dort sitzen, und warte, bis der Pfarrer zu dir kommt, um dich zu beerdigen. Mach dir keine Sorgen, dass ich die ganze Arbeit erledige, völlig erschöpft bin und beinahe in diesem Scheißfluss ertrunken wäre«, platzte sie heraus. »Versinke ruhig weiter in Selbstmitleid. Die verfluchte, dämliche Matilda wird sich schon um dich kümmern.«
Niemals zuvor hatte sie solch schlimme Schimpfwörter benutzt, die ein Überbleibsel vom Finders Court waren. Vielleicht hatte sie auch unbeabsichtigt die Brutalität des Finders Court heraufbeschworen, ein plötzlicher, primitiver Reflex ließ sie nun vorspringen und Cissy eine Ohrfeige verpassen.
»Steh endlich auf, und tu etwas«, befahl sie. »Ich würde mich um dich kümmern, wenn du krank wärst, aber ich warte verflucht nochmal nicht auf einen verdammten Geist. Denn das ist es, was du geworden bist, Cissy, ein mieser, nutzloser Geist ohne Rückgrat, Herz und Seele.«
Cissy sah sie völlig überrascht an, und ihre Hände bewegten sich zögerlich zu ihrer brennenden Wange. »Ich wusste gar nicht, dass du so schlimme Wörter kennst«, murmelte sie.
Cissy einen vollständigen Satz sprechen zu hören schockierte Matilda so sehr, dass sie zurücktaumelte. Dennoch konnte sie sich nicht entschuldigen, denn sie war vor Wut noch immer völlig außer sich. »Ich kenne noch viel schlimmere«, knurrte sie die junge Frau an. »Und wenn du nicht langsam aus dieser verdammten Trance erwachst, wirst du sie zu hören bekommen.«
»Keiner darf mich ungestraft schlagen«, antwortete Cissy, sprang von ihrem Sessel und ging auf Matilda los, die Finger ausgestreckt und zum Kratzen bereit. Doch Matilda wich geschickt zur Seite aus, sodass Cissy von der Veranda auf den harten Boden fiel und auf dem Gesicht landete.
Plötzlich kam Matilda wieder zu sich und war völlig entsetzt über ihr Verhalten. Sie sprang die Veranda hinunter und kniete sich neben Cissy, um ihr aufzuhelfen. Doch zu ihrer Überraschung rollte sich die Freundin zu ihr herüber, packte Matilda an den Knien, trommelte mit ihren Fäusten auf sie ein und schrie unglaublich grobe Schimpfwörter in die Nacht.
Es war Sidney, der die beiden Frauen trennte. Er kam in Unterhose aus dem Haus gelaufen, sprang von der Veranda und zog sie auseinander. »Was ist hier los?«, fragte er. »Seid ihr beide verrückt geworden?«
Matilda lag flach auf dem Rücken, und das nasse, zerrissene Kleid klebte ihr am Körper. Cissy stand neben Sidney und schnaufte so aufgeregt wie Treacle, der völlig verwirrt von einem zum anderen schaute. Sidney stand über ihr, sein nackter Oberkörper war sehr weiß, und sein roter
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